Stürzende Linien

Sabine Wild

7. August 2023

Die Fotokünstlerin Sabine Wild bearbeitet ihre Prints auf handwerkliche Weise und erzielt damit erstaunliche Effekte.
„Ich bin immer gezielt in Städte wie wie New York, Hongkong, Shanghai, Peking oder Tokio gereist, um dort für meine Serien zu fotografieren.

Für mich ist es sehr interessant, frühere Arbeiten unter neuen Kriterien zu betrachten; mich gezielt auf die Suche nach Motiven zu begeben, die für das Verweben geeignet sein könnten. Ich bin immer wieder überrascht, in welche Richtung sich das Motiv nach dem Verweben entwickelt hat.

Das Verfahren des Webens möchte ich an einem Hongkong-Beispiel verdeutlichen: Mit dem Cutter fahre ich entlang der stürzenden Linien eines in die Jahre gekommenen Hochhauses in Hongkong und schneide das Foto in vertikale Linien.

Nun nehme ich mir den zweiten Druck des identischen Motivs vor und folge mit dem Messer den horizontalen Linien entlang der Fenster- und Balkonbrüstungen. Als würde ich die Architektur des Hauses mit seinen Vorsprüngen, Klimaanlagen, Fenstergittern nachzeichnen. Jetzt greife ich eine alte Kulturtechnik auf und webe die horizontalen Streifen der Reihe nach in die vertikalen.

Ist der horizontale Streifen eingewebt, drücke ich diesen an die vorherige horizontale Reihe. Dennoch entsteht ein Versatz pro Streifen in die untere Richtung, sodass am Ende von der zweiten Fotografie ein breiter Streifen übrig bleibt. Je weiter ich webe, desto mehr entfernen sich die horizontalen Bildstreifen von ihrer vertikalen Entsprechung.“
Text und Bild: © Sabine Wild
EQUIPMENT: Leica M (Typ 240) mit Summilux-M 1:1.4/35 Asph.

Sabine Wild+-

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© Enno Schramm

Sabine Wild, geb. 1962 in Padua, Italien, lebt und arbeitet seit 1985 in Berlin. Nachdem sie Germanistik, Linguistik und Spanisch in Bielefeld, Münster, Köln und Berlin studiert hat, ist sie seit 2003 als freie Fotografin tätig. 2005 war sie eine Mitbegründerin der Galerie en passant (heute ep.contemporary). 2007 und 2008 studierte sie an der Ostkreuzschule für Fotografie bei Jonas Maron. Von 2010 bis 2015 war sie Jurymitglied der Stiftung Kunstfonds in Bonn. Ihre Arbeiten werden an zahlreichen Orten in Deutschland und weltweit ausgestellt. Mehr

 

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Sabine Wild