Buchtipp: From the Heads of the Hollers
Buchtipp: From the Heads of the Hollers
17. August 2023
John and Berthie, Beehive, 1988
„Ich bitte die Leute, ins Objektiv zu schauen und ihr eigenes Spiegelbild zu finden, während sie über Ereignisse in ihrem Leben nachdenken, die für sie wichtig sind. Die Lebenserfahrungen, die wir alle machen, sind sehr unterschiedlich und prägen sich in unser Inneres ein, was sich auch auf unser Äußeres auswirkt. Wenn ein Fotograf mit seinen Motiven verbunden ist, fallen Verstellungen und Masken weg, und es entsteht ein ungezwungenes und einnehmendes Porträt“ – Shelby Lee Adams
Anfangs wollte der Fotograf, wie er sagt, fotografieren, was er kannte. Doch den Porträts seiner Großeltern, Tanten und Onkel folgten rasch auch deren Nachbarn und Bekannte. Je mehr er von seinen Aufnahmen in die Familien zurückbrachte, umso leichter gewann er das Vertrauen der Menschen. Über die Jahrzehnte fotografierte er drei, vier, manchmal sogar fünf Generationen einer Familie. In mehreren Büchern hat er seine Porträtserie bereits vorgestellt, und „nachdem ich mein erstes Buch gesehen hatte, war klar, dass die Menschen in den Hollers meine Vision verstanden hatten, und seither haben sie mir immer geholfen, mehr von der bodenständigen und authentischen Kultur zu finden, die sie ausmacht, auch wenn sie verschwindet“, so Adams. „So habe ich durch Mundpropaganda ein kollektives Porträt unseres Volkes der Hollers geschaffen, das viele noch nie gesehen haben.“ Armut, die Spuren harter Arbeit und Lebensbedingungen sind in den Porträts immer sichtbar, dienen allerdings nicht vordergründlich als Grund für die Aufnahmen. Adams’ Ansatz ist durch die humanistische Fotografie geprägt, seine Aufnahmen versteht er weniger als sozialdokumentarisch, denn als Spiegelbild einer oft übersehenen und vernachlässigten Gemeinschaft.
Der nun vorliegende neue Bildband zeigt 89 bisher unveröffentlichte Bilder aus den Jahren 1974 bis 2010, dem Zeitpunkt, an dem das von ihm bevorzugte Großformat-Polaroidverfahren eingestellt wurde. Für ihn ist es wichtig, dass jede Person so abgebildet wird, wie sie sich am wohlsten fühlt: Einige sitzen, andere stehen, einige stehen vor ihrem Haus, andere bevorzugen eine Aufnahme in den Innenräumen ihrer Häuser. So erschließen sich ganz nebenbei die Details des Alltagslebens, ohne die Porträtierten vorzuführen. Entstanden ist ein stiller, stimmiger Bildband, der über die reine Oberfläche des Porträts weit hinausgeht.
Shelby Lee Adams wurde 1950 in Hazard, Kentucky, geboren, studierte am Cleveland Institute of Art in Ohio, wo er früh mit den Fotografien der Farm Security Administration in Berührung kam, die ihn zu den für ihn typischen Fotografien in den Appalachen inspirierten, die er seit den 1990er-Jahren auch in mehreren Monografien veröffentlichte.
Shelby Lee Adams: From the Heads of the Hollers+-
176 Seiten, 89 Schwarzweißabb.
28 × 36 cm, Englisch
Gost
John and Berthie, Beehive, 1988
Clay and Cora, Saul, 1999
Corrine and Children, Spring Branch, 1983
Hardshell Caney Creek, 2007
Hooch-A-Pap, Beech Fork, Leatherwood, 1987
Christian, Weeksbury, 1999
Lonnie and Leddie (sisters), Garner, 1986
Merle, Hindman, 1985
Barbara, George’s Branch, 1990
The Blind Preacher, Hardshell Caney Creek, 1997