Buchtipp: From the Heads of the Hollers

17. August 2023

Klassische, eindrucksvolle Porträts des amerikanischen Fotografen Shelby Lee Adams aus den Appalachen im amerikanischen Bundesstaat Kentucky als Hommage an eine oft übersehene Gemeinschaft.
Die „Hollers“ im Titel des neuen Bildbandes des amerikanischen Fotografen Shelby Lee Adams beziehen sich auf einen regional gebräuchlichen Begriff, der die engen Täler in den abgelegenen und oft nur schwer zugänglichen Bergregionen Kentuckys beschreibt, die häufig nur über einspurige Straßen zu erreichen sind. Der heute 72-jährige Fotograf kennt diese Gegend genau und fotografiert seit über vier Jahrzehnten deren Bewohner. In seiner Kindheit zog Adams häufig um, da sein Vater als Erdgasingenieur an der Ostküste der Vereinigten Staaten arbeitete, aber regelmäßig war er in den Sommermonaten bei seinen von der Landwirtschaft lebenden Großeltern in den Appalachen. Auch nachdem er mit der Fotografie begonnen hatte, kehrte er regelmäßig in die Dörfer zurück, und so entstand seit 1974 ein besonderes Porträtarchiv, das in seiner Strenge an große Vorbilder wie August Sanders Menschen des 20. Jahrhunderts denken lässt. Nicht nur die analoge Schwarzweißfotografie im Großformatverfahren, sondern auch die meist gleiche Aufnahmesituation, bei der die Porträtierten direkt in die Kamera schauen, lassen diese Assoziation zu.

„Ich bitte die Leute, ins Objektiv zu schauen und ihr eigenes Spiegelbild zu finden, während sie über Ereignisse in ihrem Leben nachdenken, die für sie wichtig sind. Die Lebenserfahrungen, die wir alle machen, sind sehr unterschiedlich und prägen sich in unser Inneres ein, was sich auch auf unser Äußeres auswirkt. Wenn ein Fotograf mit seinen Motiven verbunden ist, fallen Verstellungen und Masken weg, und es entsteht ein ungezwungenes und einnehmendes Porträt“ – Shelby Lee Adams

Anfangs wollte der Fotograf, wie er sagt, fotografieren, was er kannte. Doch den Porträts seiner Großeltern, Tanten und Onkel folgten rasch auch deren Nachbarn und Bekannte. Je mehr er von seinen Aufnahmen in die Familien zurückbrachte, umso leichter gewann er das Vertrauen der Menschen. Über die Jahrzehnte fotografierte er drei, vier, manchmal sogar fünf Generationen einer Familie. In mehreren Büchern hat er seine Porträtserie bereits vorgestellt, und „nachdem ich mein erstes Buch gesehen hatte, war klar, dass die Menschen in den Hollers meine Vision verstanden hatten, und seither haben sie mir immer geholfen, mehr von der bodenständigen und authentischen Kultur zu finden, die sie ausmacht, auch wenn sie verschwindet“, so Adams. „So habe ich durch Mundpropaganda ein kollektives Porträt unseres Volkes der Hollers geschaffen, das viele noch nie gesehen haben.“ Armut, die Spuren harter Arbeit und Lebensbedingungen sind in den Porträts immer sichtbar, dienen allerdings nicht vordergründlich als Grund für die Aufnahmen. Adams’ Ansatz ist durch die humanistische Fotografie geprägt, seine Aufnahmen versteht er weniger als sozialdokumentarisch, denn als Spiegelbild einer oft übersehenen und vernachlässigten Gemeinschaft.

Der nun vorliegende neue Bildband zeigt 89 bisher unveröffentlichte Bilder aus den Jahren 1974 bis 2010, dem Zeitpunkt, an dem das von ihm bevorzugte Großformat-Polaroidverfahren eingestellt wurde. Für ihn ist es wichtig, dass jede Person so abgebildet wird, wie sie sich am wohlsten fühlt: Einige sitzen, andere stehen, einige stehen vor ihrem Haus, andere bevorzugen eine Aufnahme in den Innenräumen ihrer Häuser. So erschließen sich ganz nebenbei die Details des Alltagslebens, ohne die Porträtierten vorzuführen. Entstanden ist ein stiller, stimmiger Bildband, der über die reine Oberfläche des Porträts weit hinausgeht.

Shelby Lee Adams wurde 1950 in Hazard, Kentucky, geboren, studierte am Cleveland Institute of Art in Ohio, wo er früh mit den Fotografien der Farm Security Administration in Berührung kam, die ihn zu den für ihn typischen Fotografien in den Appalachen inspirierten, die er seit den 1990er-Jahren auch in mehreren Monografien veröffentlichte.
Ulrich Rüter
Alle Bilder auf dieser Seite: © Shelby Lee Adams

Shelby Lee Adams: From the Heads of the Hollers+-

11_Shelby Lee Adams cover

176 Seiten, 89 Schwarzweißabb.
28 × 36 cm, Englisch
Gost

1/10
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Buchtipp: From the Heads of the Hollers