Umbo – Fotograf

Umbo

25. Februar 2019

Als Reporter, Porträtist, Experimentator zählte Umbo für wenige Jahre zu den bekanntesten Avantgarde-Fotografen der 1920er-Jahre. Nun wird Umbo (1902-1980) in einer sehenswerten Ausstellung in Hannover wiederentdeckt.
Das Selbstporträt mit der Leica gehört zu den bekanntesten Bildern des Fotografen Umbo. Ganz selbstbewusst fixiert sein Auge den Betrachter durch das Geviert des aufgesteckten Suchers der Kamera, die von den Händen exakt so positioniert ist, dass das Objektiv zum zweiten Auge des Fotografen zu mutieren scheint.

Das Bild entstand um 1949, zu einer Zeit, in der schon zwanzig Jahre als Künstler und Fotograf hinter ihm lagen und Umbo in Hannover versuchte, sein Leben und seine Karriere wieder auf die Beine zu stellen. Das Selbstporträt ist ein Motiv der Zuversicht, lagen doch die katastrophalen Erfahrungen der Nazi-Zeit und des Krieges einschließlich des Verlustes seines gesamten fotografischen Archivs hinter ihm. Und noch einen weiteren persönlichen Schicksalsschlag verbirgt die Kamera, hatte Umbo doch kurz zuvor sein linkes Auge durch einen Unfall verloren.

1902 als Otto Maximilian Umbehr geboren, konnte Umbo 1921 bei seiner Aufnahme an das Staatliche Bauhaus in Weimar schon ein turbulentes Leben vorweisen: in armen Verhältnissen aufgewachsen, als Schulabbrecher, Wandervogel, Zechenarbeiter, Kunsttöpfer, Mitglied einer Mysterienspielgruppe wurde das Bauhaus für zwei Jahre sein Experimentierfeld, bevor er die Schule wieder vorzeitig verlassen musste – als zu unangepasst galt er selbst hier. Jahre als Hilfsarbeiter, Anstreicher, Kinoplakatmaler, Clown, Laufbursche und Stativführer beim Film folgten.

Doch sein prekäres bisheriges Leben nahm ab 1927 eine entscheidende Wendung: durch seinen Bauhaus-Freund Paul Citroen entdeckte er seine Leidenschaft für die Fotografie neu. Und schon die ersten Veröffentlichungen ließen ihn schnell berühmt werden, so publizierte er in zahlreichen Magazinen, beteiligte sich an Ausstellungen und wurde ab 1928 auch Bildberichterstatter des von Simon Guttmann gegründeten Bilderdienstes „Deuphot“ (später Dephot).

Wie kein anderer adaptierte er die Bildsprache der „Neuen Fotografie“ der 1920er-Jahre in sein Werk, war innovativ und überraschend vielfältig. Sowohl sein angewandtes, als auch experimentelles Arbeiten passte offenbar perfekt in die rasant wachsende Medienmetropole Berlin. Schaufensterpuppen, starke Frauen, Artisten, der Clown Grock: als Reportage- und Großstadtfotograf schuf er in wenigen Jahren ein großartiges Werk. Der Bohemien Umbo war 1928/1929 auf dem Gipfel seines Ruhms, an fast allen bedeutenden Avantgarde-Ausstellungen und Publikationen präsent. Umso mühsamer war dann sein Leben nach dem Krieg: Atelier und Archiv mit zehntausenden von Negativen waren zerstört, auch seine Leicas verloren. Hannover – in seinen Worten das „sturste aller Kaffs“, wurde zum neuen Lebensmittelpunkt.

Bei der Auswahl seiner Arbeitsmaterialien war Umbo zeitlebens nicht wählerisch und so half auch eine geschenkte Leica beim fotografischen Wiedereinstieg, gleichwohl er an den Erfolg der Vorkriegszeit nicht wieder anschließen konnte. Umso beachtlicher ist nun die umfassende Ausstellung in Hannover: noch nie wurde das erhaltene Werk Umbos so vielfältig präsentiert. Über Jahrzehnte von seiner Tochter Phyllis Umbehr und dem Galeristen Rudolf Kicken zusammengehalten, konnte der Nachlass Umbos 2016 als geschlossenes Konvolut von drei Institutionen erworben werden: neben dem Sprengel Museum sind es die Berlinische Galerie und die Stiftung Bauhaus Dessau.

Ausstellung und der begleitende, umfangreiche Katalog belegen nun umso schlüssiger die Bedeutung Umbos. Neben vielen bekannten Inkunabeln gibt es zahlreiche bisher nicht gezeigte Bildgruppen und Archivalien bis zum 12. Mai zu erkunden. Eine überfällige, sehr gelungene Wiederentdeckung!

Weitere Informationen zur Ausstellung gibt es beim Sprengel Museum Hannover.
Ulrich Rüter
Alle Bilder: © Phyllis Umbehr/Gallerie Kicken Berlin/VG Bild-Kunst, Bonn, 2019/ Herling/Herling/Werner, Sprengel Museum Hannover

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Untitled (self-portrait), c. 1955

Geboren am 18. Januar 1902 in Düsseldorf als zweites von zehn Kindern. 1915 erhält er zu Weihnachten seinen ersten Fotoapparat: eine Klappkamera 9 x 12. Von 1921 bis 1923 am Bauhaus in Weimar, er besucht den Vorkurs von Johannes Itten. In Berlin intensive Beschäftigung mit der Fotografie: vor allem Porträtaufnahmen, aber auch Experimente mit Fotogrammen und anderen Techniken und Materialien entstehen.

Trotz aller Repressalien arbeitet Umbo auch in der Nazi-Zeit zunächst an seinen Themen Porträt und Stadt weiter. Als freier Mitarbeiter der Propaganda-Zeitschrift „Signal“ kann er bis 1943 dem Wehrdienst entgehen. Ab Sommer 1945 lebt er in Hannover, mit einer geschenkten Leica entstehen diverse Reportagen.

1952 dreimonatige Reise durch die USA. Tätigkeit für die Kestner Gesellschaft Hannover. 1979 erfolgt die erste Würdigung seines Werks mit einer Ausstellung der Spectrum Photogalerie Hannover. Umbo stirbt am 12. Mai 1980. Mehr

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