Doktor Peyo und Mister Hassen

Jérémy Lempin

6. Juni 2023

Ein Pferd in einem Krankenhaus? Der französische Fotograf wollte verstehen, wie es funktioniert und was es den Menschen am Ende ihres Lebens bringt.
Auch wenn im Krankenhaus in Calais eher Krankheit und Tod eine Rolle spielen, dreht sich die fotografische Serie von Jérémy Lempin hauptsächlich um das Leben: Im Mittelpunkt stehen die letzten Momente des Daseins und die Freude, die Hassen Bouchakour und sein Pferd Peyo den Patienten bereiten. Der Fotograf sendet auch die Botschaft, dass in den Palliativdiensten noch einiges zu tun ist.

LFI: Ein Pferd als „Arzt“ im Krankenhaus, das ist alles andere als gewöhnlich … Wie sind Sie auf diese Geschichte gestoßen, und was hat Sie an ihr fasziniert?
Jérémy Lempin: Nachdem ich für verschiedene französische Zeitschriften und Zeitungen über die Covid-19-Krise berichtet hatte, wollte ich eine Geschichte über einen Landarzt schreiben, der zu Pferd seine Visite macht. Als ich meiner Familie in Nordfrankreich von dieser Idee erzählte, sprachen sie mich auf Peyo an, der sich im Krankenhaus von Calais um Patienten am Ende ihres Lebens kümmerte. Merkwürdigerweise gab es keinen Langzeitbericht über Peyo, seinen Besitzer Hassen und das Engagement der beiden. Daher beschloss ich, Hassen direkt zu kontaktieren und ihm vorzuschlagen, einige Zeit mit seinem Partner und den Patienten zu verbringen, um eine positive Geschichte in einem Umfeld zu erzählen, das manchmal schwierig erscheint.

Man sagt, dass es immer schwierig ist, Kinder und Tiere fotografisch festzuhalten. Wie war es, mit dem Pferd zu arbeiten?
Peyo ist es gewohnt, in Tanzshows aufzutreten, für ihn ist Trubel nichts Neues. Ich hingegen habe ein wenig Angst vor Pferden, also habe ich mich in Peyos Anwesenheit eher ruhig verhalten. Ich glaube, dass dieses Verhalten Peyo dazu gebracht hat, mich arbeiten zu lassen. Den Kindern und den verschiedenen Familien habe ich den Zweck dieses Berichts erklärt und wie wichtig es ist, zu zeigen, dass Peyo und Hassen Lebensfreude zu vermitteln wissen. Ich fotografiere gern das, was ich sehe, ohne einzugreifen, ich mag nicht zu viel Inszenierung. Egal also, ob mit Peyo oder den Kindern und Familien – ich denke, dass ich es geschafft habe, diese Geschichte so aufrichtig wie möglich zu erzählen.

Welche Kamera haben Sie verwendet, und wie war die Erfahrung damit, insbesondere auch im Hinblick auf eine fotografische Arbeit, die im Krankenhaus stattfindet, also meist mit Kunstlicht auskommen muss?
Für diese Serie habe ich meine Leica M240 und mein 50-mm-Summicron sowie meine Leica Q Titanium mitgenommen. Das sind die perfekten Werkzeuge, sie sind diskret und vermitteln ein tolles Retro-Gefühl. Ich bin es gewohnt, in der medizinischen Welt zu arbeiten. Das Schwierigste ist vergessen zu werden, um in einer Notsituation nicht lästig zu werden. Meine Leicas tragen zu dieser Diskretion bei. Abgesehen davon, dass sie technisch sehr gut sind, helfen sie mir, mit den Menschen, die ich fotografiere, in Kontakt zu kommen, denn die Kameras sind nicht furchteinflößend groß – sie sind einfach perfekt, ob bei künstlichem oder natürlichem Licht.
Katja Hübner
ALLE BILDER AUF DIESER SEITE: © Jérémy Lempin
EQUIPMENT: Leica M (Typ 240) mit Summicron 1:2/50 und Leica Q, Summilux 1:1.7/28 Asph

Jérémy Lempin+-

© Cytrynowicz Thomas
© Thomas Cytrynowicz

1983 in Nordfrankreich geboren, war er schon in jungen Jahren von den Fotos Robert Capas fasziniert. Um in seine Fußstapfen zu treten, machte er seine Ausbildung bei der Marine als Fotograf an Bord des Flugzeugträgers Charles de Gaulle und dokumentierte die Lebensbedingungen der Besatzung auf See und an Land. Seit 2016 arbeitet er als Fotojournalist u. a. für Zeitschriften und Zeitungen wie Le Figaro Magazine, Aftenposten oder The Guardian und wurde mit zahlreichen Preisen – etwa Istanbul Photo Award, World Press Photo, Visa d’Or de la Presse Magazine – ausgezeichnet. Mehr

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