Der Wilde Westen im Osten

Jascha Fibich

25. April 2022

In seinen intensiven Porträts macht Jascha Fibich die große Faszination sichtbar, die der Wilde Westen und indigene Kulturen Amerikas auf Menschen im Osten Deutschlands ausübt.
Ihr Hobby ist mehr als nur ein Rollenspiel: Von der staatlichen Politik mit Argwohn betrachtet, entfalteten in der DDR zahlreiche Interessengemeinschaften für Indianistik ein Eigenleben. Ihre Anhänger konnten darin in eine Welt eintauchen, die ihnen im normalen Leben verschlossen war. Der Fotograf Jascha Fibich hat sich im Lendenschurz auf eine fotografische Spurensuche durch den Osten Deutschlands begeben und die Indianisten eindrucksvoll in Szene gesetzt.

LFI: Indianistik als Hobby – was verzaubert die Leute daran, vor allem im Osten des Landes?
Jascha Fibich: Die Indianisten versuchen, das Leben der Indigenen Nordamerikas im 19. Jahrhundert nachzuempfinden. Die aufwendige Herstellung von Kleidung und Accessoires in Handarbeit und das Feiern von Festen bilden die zentralen Beschäftigungen. In der DDR gab es 45 Interessengemeinschaften für Indianistik mit insgesamt über 1000 Mitgliedern. Ich denke, dass für die einen die Auseinandersetzung mit dem Wilden Westen eine Möglichkeit war, das Reiseverbot zu überwinden. Für andere war die Solidarisierung mit den Befreiungskämpfen des American Indian Movement besonders wichtig. Interessanterweise ging in Westdeutschland die Szene viel mehr in Richtung Cowboys und Trapper. In der Indianistik stecken viele Parallelen zur deutsch-deutschen Geschichte.

Wie sind Sie den Indianisten nahegekommen? Wie war ihre Reaktion auf Ihr fotografisches Projekt?
Ich habe bei der Indian Week abends am Feuer gesessen und die Teilnehmer kennengelernt. Viele waren erst abgeschreckt, weil sie negative Erfahrungen gemacht haben. Andere Fotografen hatten sie lächerlich oder entblößt dargestellt. Sie sind dennoch stolz, ihr aufwendiges Outfit zu zeigen und von ihrem Hobby zu erzählen. Neben der Indianistik gehen die Leute ganz normalen Berufen nach. Naturverbundenheit, ein nachhaltiges Leben und Spiritualität spielen dennoch bei vielen eine große Rolle.

Was war Ihnen wichtig zu zeigen?
Es erstaunte mich, mit wie viel Faszination und Hingabe die Indianisten ihr Hobby betreiben. Zudem soll die Fotoarbeit den Impuls geben, über unser Verständnis von Authentizität in der Darstellung Indigener nachzudenken.

Was bedeuten Ihre Aufnahmen für den Diskurs über die kulturelle Aneignung?
Ein Großteil der Menschen aus meiner und älterer Generationen sind mit Geschichten und Abenteuerfilmen aufgewachsen, in denen die Indigenen Nordamerikas klischeehaft inszeniert werden. Es ist wichtig, sich mit diesen Bildern auseinanderzusetzen und sich zu fragen, was wir als authentisch empfinden und warum. Meine Fotoserie kann ein Anlass sein, die eigenen Klischees vor dem Hintergrund der Diskussion um kulturelle Aneignung zu hinterfragen.

Sie haben mit der Leica M-E (Typ 240) fotografiert, wie war Ihre Erfahrung?
Auf der Indian Week ist nur „authentische“ Kleidung erlaubt. So habe ich mich als Fotograf eine Woche mit Lendenschurz und Mokassins auf die Suche nach Motiven begeben und im Tipi geschlafen. Das Aussehen der Leica erinnert viele an analoge Kameras. So konnte ich ohne viel Aufsehen im Camp fotografieren.
Katja Hübner
ALLE BILDER AUF DIESER SEITE: © Jascha Fibich
EQUIPMENT: Leica M-E (Typ 240), Summicron-M 1:2/50 Asph, Apo-Summicron-M 1:2/90 Asph, Zeiss Planar 1:2/35, Elmarit-M III 1:2.8/28 Asph

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© Jascha Fibich

Jascha Fibich, geboren 1995, hat an der Bauhaus-Universität Weimar, an der HGB Leipzig und an der ECAL in Lausanne/Schweiz Fotografie und Kommunikationsdesign studiert. Aktuell arbeitet er als Lehrbeauftragter an der Bauhaus-Universität Weimar und als selbstständiger Fotograf. Mehr

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