Die Natur als Kuratorin

Henrike Stahl

30. Juli 2024

Die Fotokünstlerin bearbeitet ihre Bilder am liebsten analog. Inspirationen holt sie sich aus der Natur.
Henrike Stahl geht mit Fotografie gern mal unkonventionell um. Die Fotokünstlerin wagt Experimente, so wie im Rahmen ihres Aufenthalts 2023 als Stipendiatin auf dem Château Palmer. Auf dem Weingut im Bordeaux beobachtete sie die ungewöhnlichen Praktiken des biologisch-dynamischen Landbaus. Hier erzählt sie von den Inspirationsquellen, ihrer künstlerischen analogen Bildbearbeitung und der Rolle der Natur.

LFI: Ihre Fotografien haben dokumentarische und fiktionale Anmutungen. Wie war Ihre Herangehensweise an L’arc sera parmi les nuages?
Henrike Stahl: Ich wollte natürlich so eng wie möglich mit den Leuten dort zusammenarbeiten, daher der dokumentarische Ansatz, und dann die Natur als Kurator fungieren lassen, daher der künstlerische Ansatz. Den Unfall neues kreieren lassen. Sich dem Undirigierbaren hingeben.

Die Natur als Kuratorin, das ist ein interessanter Ansatz.
Ich habe mir die Arbeitsweise der Winzer angeschaut und dann überlegt, wie ich ihre Art zu arbeiten auf die Fotografie übertragen kann.

Wie haben Sie natürliche Phänomene in Ihre Kunst integriert?
Das Wasser ist auf dem Weingut allgegenwärtig. Wenn es anfängt zu regnen rennen alle wie die Ameisen herum, um die Weinstöcke vor Pilzbefall zu retten. Auch droht das Wasser, vom Meer hochzukommen. Ich habe Prints ins Wasser der Garonne getaucht, das Sand und Salz enthält, was spezielle Effekte bei der Trocknung erzeugt. Andere Prints habe ich im Feuchten verschimmeln lassen.

Einige Motive sind auch nicht klassisch auf Papier entwickelt.
Ein paar Motive habe ich auf Baumwolle und Seide gedruckt und anschließend im Boden vergraben und dort mit Wasser und allem anderen verbleiben lassen, so wie die Tierhörner, die in der Erde vergraben werden.

Manchmal sind auch kristalline Strukturen und Brüche auf Ihren Prints zu sehen.
Das habe ich mir bei bestimmten Kristallisationsverfahren abgeschaut. Da lässt man Wein mit Kupfer reagieren, und daraus können Winzer dann bestimmte Dinge ablesen. Einige meiner Prints habe ich zwei bis drei Tage lang in Wein getaucht.

In einigen Serien, zum Beispiel A Color Project und Larc sera parmi les nuages, tauchen interessante Effekte in Form von farbigem Nebel auf. Wie kreieren Sie diese?
Bei den Schweinen ist’s farbiger Rauch. Bei A Color Project wollte ich einfach dem tristen Herbst ein bisschen Farbe geben. Hatte wohl gerade etwas bessere Laune gebraucht. Da sind wir mit meinem Neffen durch den Wald gezogen, der vom Steinbruchstaub ganz weiß war, haben Böller gezündet und Rauch gemacht, den ich später am Bildschirm eingefärbt habe. Ging auch mit dem Nebel in den Alpen gut …
Carla Susanne Erdmann
ALLE BILDER AUF DIESER SEITE: © Henrike Stahl
EQUIPMENT: Leica SL2-S, Vario-Elmarit-SL 1:2.8/24–70 Asph

LFI 5.2024+-

Mehr über die fotografischen Arbeiten von Henrike Stahl finden Sie im LFI Magazin 5.2024. Mehr

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Portrait Henrike (c) Henrike Stahl
© Henrike Stahl

1980 in Gießen geboren. Als Autodidaktin assistierte sie Steve Hiett und Paolo Roversi bei Shootings. Seit 2001 ist sie im Bereich Porträt und Fashion selbstständig. Als Fotokünstlerin experimentiert sie gern mit Prints, die sie bemalt, faltet oder durch weitere kreative Techniken bearbeitet. 2023 war sie die zweite Künstlerin des Residency-Programms Instants von Leica und Château Palmer. Ihre Bilder wurden u. a. in Paris, Berlin und Arles ausgestellt. Sie lebt und arbeitet in Deutschland und Frankreich. Mehr

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