Ein kostbares Gut
Ein kostbares Gut
23. April 2024
Die Nachfrage nach Film ist stabil, aber nicht vergleichbar mit dem Volumen in den 1990er-Jahren
Das aktuelle Angebot dominiert Kodak eindeutig, flankiert von alten Bekannten, die sich ebenfalls des Farbfilms annehmen, wie Adox in Berlin, Film Ferrania in Italien und Harman im Vereinigten Königreich (wir berichteten). Hinzu kommen noch einige Unternehmen, die Restbestände an Foto- und Kinofilm am Markt aufkauften und nun vertreiben: entweder so, wie sie sind oder kunstvoll vorbelichtet.
In der beschriebenen Angebotssituation nehmen viele Analogfotografen eine Preissteigerung für Farbfilme wahr. Natürlich legt ein so dünnes Angebot eine solche Annahme nahe, doch fußen viele dieser Einschätzungen auf den Kosten für Filme während der Phase des vermeintlichen Endes der analogen und der Blüte der aufstrebenden digitalen Fotografie, als Farbfilme geradezu verramscht wurden. Ludwig Hagelstein hat das für SilvergrainClassics hinterfragt und kommt zu einem ganz anderen Ergebnis: Danach hätten sich die Preise nach der beschriebenen Situation wieder normalisiert. Nun gehe es nicht mehr darum, noch eine Weile länger im Wettbewerb zu bestehen – koste es, was es wolle –, sondern um eine langfristige Perspektive für den wiedererstarkten analogen Fotomarkt. „In der Filmindustrie ist der analoge Film beliebter denn je“, konstatiert Hagelstein, „vor allem bei Mode- und Musikvideoproduktionen, denn er ermöglicht einen Look, mit dem sich eine Produktion von der Konkurrenz abheben kann.“ Unter den jungen Analogfotografen bestimmen Themen wie die Entschleunigung und eine bewusstere Art zu fotografieren die bewusste Entscheidung für Film.
Warum Film so teuer ist, das begründet Hagelstein mit der Tatsache, dass die Herstellung moderner Farbfilme ein Hightech-Vorgang sei, der der Halbleiterherstellung ähnelte, aber noch komplexer sei: „Es handelt sich um einen der komplexesten chemischen und industriellen Herstellungsprozesse, die bis heute entwickelt wurden.“ Oder wie es Mirko Böddecker, Firmengründer von Adox und Fotoimpex in Berlin, im LFI-Gespräch zur Zukunft des Farbfilms in Europa so trefflich auf den Punkt brachte: Farbfilme herzustellen sei tatsächlich „Raketenwissenschaft“.
„Als die Nachfrage nach Fotofilmen im Jahr 2000 ihren Höhepunkt erreichte, standen dahinter Milliarden von Dollar, die in Forschung und Entwicklung investiert wurden, und mehr als hundert Jahre Forschungsarbeit von einigen der klügsten Köpfe ihrer Generationen. Der Herstellungsprozess von Filmen ist so komplex, dass selbst auf dem Höhepunkt der Entwicklung nur vier Unternehmen weltweit in der Lage waren, einen Farbfilm zu produzieren, der den höchsten Qualitätsstandards entsprach: Eastman Kodak, Agfa-Gevaert, Konica und Fujifilm. Darüber hinaus ist Film nicht nur ein sehr komplexes Produkt, sondern erfordert auch viele Ressourcen, deren Beschaffung immer schwieriger und teurer wird oder die aufgrund berechtigter Umweltbedenken überarbeitet werden müssen“, erklärt Hagelstein. Verglichen mit den gigantischen Produktionszahlen der 1990er-Jahre, in denen Kodak und Fujifilm durch die schiere Menge ihre benötigten Materialien selbst herstellen oder kostengünstig einkaufen konnten, gilt es heute, sich der neuen Realität zu stellen: „Dieselben Maschinen, mit denen Milliarden von Kilometern an Film hergestellt wurden, können nicht effizient in dem kleineren Maßstab arbeiten, der für den stabilen, aber kleineren Markt von heute erforderlich ist.“ Ein ganz nüchterner Preisvergleich, unter Berücksichtigung der gestiegenen Produktionskosten, und unter Einbeziehung der Kaufkraft führt Hagelstein letztlich zur Beurteilung, dass Filme im Mittel lediglich eine angemessene, vertretbare Preissteigerung erfahren hätten. Nun ist auf Seiten der filmproduzierenden Industrie Augenmaß gefragt, wirtschaftlich genug zu produzieren, um den Bedarf des Marktes zu bedienen, ohne den Enthusiasmus derer, die ihn tragen, abzuwürgen.
Die Nachfrage nach Film ist stabil, aber nicht vergleichbar mit dem Volumen in den 1990er-Jahren
Anhand der Filmpatrone ist auf den ersten Blick nicht immer zu erkennen, welchen Ursprung die Meterware im Inneren hat