Mein M6-Bild: Aïnour

Claudine Doury

20. Oktober 2022

Das Mädchen Aïnour gehörte zu einer Gruppe von Jugendlichen, die vor rund 20 Jahren mit ihrer Lehrerin einen Ausflug unternahmen, um den Aralsee zu finden.
Ja, es gibt ihn doch, den Aralsee! Das Mädchen Aïnour (kasachisch für Mondstrahl) gehörte zu einer Gruppe von Jugendlichen, die vor rund 20 Jahren mit ihrer Lehrerin einen Ausflug unternahmen, um den Aralsee zu finden. Einst gehörte der See zu den größten Binnengewässern der Erde, die fortschreitende Austrocknung ließ ihn aber immer kleiner werden. Mittlerweile ist er in mehrere kleinere Teilseen zerfallen.

Claudine Doury begleitete 2003 die Gruppe von etwa 20 Schülern und Schülerinnen bei ihrer Fahrt. Zuvor hatte die Fotografin bei ihrer Reise 2003 durch Kasachstan die Lehrerin Dschanat Dschaparowna kennengelernt, die ihr berichtete, dass sie ihren Schülern immer wieder beweisen muss, dass es den Aralsee wirklich gibt: „Die Kinder in der kleinen Stadt Aralsk glaubten nicht, was ihre Lehrerin ihnen erzählte, wenn sie von ihrer eigenen Kindheit sprach. Dass das Meer an der Stadt entlanglief und sie nach der Schule darin badete“, erinnert sich die Fotografin. Denn 2003 hatte sich der See bereits weit zurückgezogen, und so gab es in der Erfahrung der Kinder nicht eine Spur seines Wassers. „So beschloss Dschanat, jedes Jahr einige ihrer Schüler mitzunehmen, um das Meer zu sehen – oder besser gesagt, um es zu finden –, das nun mehr als 100 Kilometer von der Stadt entfernt mitten in der Steppe verloren war. Auf diese Weise entdeckte auch das Mädchen Aïnour das Meer zum ersten Mal.“
Diesen Moment hielt die Fotografin in einer Aufnahme fest: „Es ist ein Meer, das man nicht kommen sieht. Keine Geräusche, keine menschlichen Spuren. Nur der Geruch von Salz weist auf seine Anwesenheit hin. Kinder stürzen sich ins Wasser. Aïnour beschließt, ein Gedicht an das wiedergefundene Meer zu schreiben.“

An diesem für die Kinder besonderen Tag entstanden unzählige Aufnahmen, die Doury mit ihrer Leica M fotografierte: „Dass ich immer mit der diskreten Leica M-Kamera gearbeitet habe, hat es mir ermöglicht, mich ganz auf die Begegnungen zu konzentrieren, präsenter mit den Situationen und Menschen zu sein, die ich während meiner Arbeit getroffen habe“, so die Fotografin. (Ulrich Rüter)

Bild: © Claudine Doury
Equipment: Leica M6 mit Summilux-M 1:1.4/35 Asph


Ein ausführliches Portfolio finden Sie im LFI-Magazin 8/2022.

Claudine Doury+-

Claudine Doury, ©P.Charton
© P. Charton

...wurde 1959 in Blois, nahe Orleáns geboren. Nach einem Journalistikstudium arbeitete sie zunächst als Bildredakteurin, bevor sie sich ganz der eigenen Fotografie widmete. Für ihr Werk wurde sie mehrfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Leica Oskar Barnack Award (1999). Ihre meist als Langzeitprojekte entstandenen Serien wurden international ausgestellt und veröffentlicht. Seit 1991 Mitglied der Agentur VU’, lebt und arbeitet sie in Paris. Mehr

 

Mein M6-Bild: Aïnour

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