Camp Kiparisni, Artek, 1999

Claudine Doury

12. Januar 2017

Als „Erholungslager für Kinder“ wurde es 1925 gegründet: Artek, an der Südküste der Krim. Anfang der 1960er Jahre ausgebaut, avancierte es mit seiner innovativen Architektursprache bald zum Prestigeobjekt der Chruschtschow-Zeit. In ihrer Arbeit „Artek, ein Sommer auf der Krim“ zeigt Claudine Doury das Ende einer historischen Ära und zugleich das Ende eines Lebensabschnitts: der Jugend. Die Strecke, die die französische Fotografin mit einer Leica M6 und dem Summilux-M 1:4/35 mm Asph realisierte, ist im aktuellen M Magazin zu sehen.
„Es ist das Jahr 1999 im Sommercamp von Artek, dem ehemals größten und auch beliebtesten Ferienlager der Sowjetunion. Das 1925 gegründete Pionierlager liegt an der Schwarzmeerküste, in dem kleinen Städtchen Gurzuf auf der Halbinsel Krim. Hier durften Mädchen und Jungen, die sich der Sowjetunion gegenüber verdienstvoll erwiesen hatten, ihre Sommerferien verbringen. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion wollte ich herausfinden, was von dem Lager übrig geblieben ist. 2000 Kinder und Teenager leben dort drei Wochen lang und widmen sich allen möglichen Freizeitaktivitäten: vom Schwimmen übers Tanzen und Rudern bis hin zum Theaterspielen.

Während ich diese Aktivitäten dokumentierte, stellte ich fest, dass mich tatsächlich die leeren Momente am meisten interessierten: wenn die Jugendlichen Pause machten, einfach Zeit miteinander verbrachten, wenn sie in den Schlafsälen einander von ihren Hoffnungen und Träumen erzählten, wenn sie sich nach dem Erwachsenwerden sehnten (und vielleicht auch davor fürchteten). Was mich faszinierte, war diese besondere Langsamkeit, die die Jugendlichen dann erfasste. Als ob nicht nur ihre äußerliche, körperliche Verwandlung, sondern auch ihr Innenleben, ihre ganze Persönlichkeitsentwicklung, sämtliche vorhandene Energie beanspruchte.

Diese vier Mädchen, wie sie entspannt in ihrem Zimmer des Camp Kiparisni sitzen, veranschaulichen genau diesen Zustand: Sie waren da, ganz nah, aber tatsächlich ganz weit weg von der Außenwelt. Als wären sie in eine Hülle eingewickelt, die für jeden, der sich außerhalb ihrer Welt befindet, unzugänglich ist. Für sie war ich kaum sichtbar.

Im Calvert Journal schreibt Guilia Manzone sehr treffend über die Artek-Serie: ‚Die Bilder fangen diesen zerbrechlichen Augenblick ein. Ein Hauch von Nostalgie ist im Raum; sie gilt einer Zeit, von der die Jugendlichen glauben, dass sie niemals vorübergehen würde.’ Die Erkundung der langsam vergehenden Teenagerzeit in jenem Ferienlager hat zu meinem Buch ‚Artek’ geführt, aber auch zu anderen Projekten und Büchern zum Thema (Sasha, l’Homme nouveau ...).“

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Claudine Doury, ©P.Charton
© P. Charton

...wurde 1959 in Blois, nahe Orleáns geboren. Nach einem Journalistikstudium arbeitete sie zunächst als Bildredakteurin, bevor sie sich ganz der eigenen Fotografie widmete. Für ihr Werk wurde sie mehrfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Leica Oskar Barnack Award (1999). Ihre meist als Langzeitprojekte entstandenen Serien wurden international ausgestellt und veröffentlicht. Seit 1991 Mitglied der Agentur VU’, lebt und arbeitet sie in Paris. Mehr

 

Camp Kiparisni, Artek, 1999

Claudine Doury