Am Cerro Rico
Am Cerro Rico
Cédric Gerbehaye
20. Dezember 2016
Auf dem Cerro Rico. Blick aus 4300 Meter Höhe auf Potosí und die Baracken der Minenarbeiter
Der Cerro Rico, der „Reiche Berg“, auf 4800 Meter Höhe oberhalb der einst von den spanischen Eroberern gegründeten Stadt Potosí gelegen, ist von jahrhundertelang betriebenem Raubbau so durchlöchert, dass es niemanden wundern würde, wenn er morgen schon in sich zusammenbrechen würde. Warum schließt man die ohnehin schon unter haarsträubenden Sicherheitsbedingungen betriebenen Minenanlagen dann nicht einfach? Weil die Bodenschätze eines der wenigen ökonomischen Pfunde sind, mit denen Bolivien wuchern kann. Und weil den Menschen in der kargen Hochlandregion sonst nichts bliebe.
Potosí ist sogar eine wachsende Stadt, hierher kommt, wer keinen Sinn mehr darin sieht, karge Hochlandböden zu beackern, ein Rädchen im globalen Bodenschatzbusiness zu sein sichert zumindest ein bescheidenes Auskommen. Kokablätter und 90-prozentiger Alkohol helfen, die Schufterei zu ertragen. Die Konquistadoren hatten hier seit dem 16. Jahrhundert den Rohstoff für ihre Silbermünzen aus dem Berg bringen lassen – eine Währung, mit der sie Europa so lange fluteten, bis die erste Inflation im welthistorischen Maßstab ausbrach. Heute sind es vor allem Zinn und Zink, die aus dem Cerro Rico geschlagen werden, Rohstoffe nicht zuletzt für die globale Elektronikindustrie. Wer sich mal gefragt hat, wie die Prozesskette gestaltet ist, an deren Ende Lifestyleaccessoires stehen – rund um den Cerro Rico ist zu besichtigen, wie es am Anfang dieser Kette aussieht.
Dass Gerbehaye seine Dokumentation in Graustufen ausgearbeitet hat, unterstreicht noch die Harschheit und Trostlosigkeit der Lebensbedingungen, die in dieser unwirtlichen Gegend für Zehntausende den Alltag ausmachen, bis zum Tod. Cédric Gerbehaye hat bei dieser Reportage erstmals die Leica Q eingesetzt. Er wollte sich in Gefilden, in denen die hier Soroche genannte Höhenkrankheit regiert, nicht mit schwerem Equipment plagen, und die Leica Q mit ihrem lichtstarken 28er Summilux und den Sensorreserven für 35 und 50 mm Brennweite entsprechenden Crops war für ihn das perfekte fotografische Werkzeug, um sein Anliegen, dem Unterbau des globalen Kapitalismus ein Gesicht zu geben, in starken Bildern Ausdruck zu verleihen.
Die Reportage des belgischen Fotografen ist in LFI 1/2017 gedruckt, wir zeigen an dieser Stelle ergänzendes Bildmaterial.
Cédric Gerbehaye+-
wurde 1977 in Belgien geboren, ist Dokumentarfotograf, Dozent und Gründungsmitglied der Agentur MAPS. Er ist Autor der Bücher Congo in Limbo, Land of Cush, Sète#13 und D’entre eux, die alle im Verlag Le Bec en l’air erschienen sind. Seine Arbeit hat mehrere internationale Anerkennungen erhalten, darunter den Olivier Rebbot Award des Overseas Press Club of America, einen World Press Photo und den Amnesty International Media Award. Seine Arbeiten wurden mehrfach ausgestellt und sind in zahlreichen Museumssammlungen vertreten. Gerbehaye lebt in Brüssel. Mehr
Auf dem Cerro Rico. Blick aus 4300 Meter Höhe auf Potosí und die Baracken der Minenarbeiter
Eingang zur Pailarivi-Mine, der ältesten des Cerro Rico. Sie ist seit dem 16. Jahrhundert in Betrieb
Geronimo, erschöpft nach einem langen Arbeitstag in der Pailarivi-Mine
Ein Arbeiter der Santa-Rita-Mine zündet sich eine Zigarette an. Viele der Kumpel leiden an Silikose, verursacht durch das Einatmen von Quarzstaub
Straße in Potosí
Kumpel bei der Beerdigung eines Kollegen, der bei einem Minenunfall starb
Infolge der intensiven Ausbeutung ist der Cerro Rico heute stark einsturzgefährdet