Un luogo bello

Alessandro Mallamaci

31. Januar 2022

Sechs Jahre lang begab sich der italienische Fotograf auf fotografische Spurensuche in seiner Heimat. Das Ergebnis beleuchtet nicht nur die Beziehung zwischen Mensch und Landschaft in Süditalien, sondern ist vor allen Dingen eine Liebeserklärung an Kalabrien mit all seinen Schönheiten, Ecken und Kanten.
Das Flusstal Sant’Agata in Süditalien ist eingebettet in das rote Bergland des Aspromonte. Es ist ein Ort, an dem Traditionen und Immobilienspekulationen gleichsam existieren; ein Ort, der von der sogenannten ’Ndrangheta beherrscht wird; ein Ort, an dem einige Dörfer im Sommer fünf Minuten und im Winter eine Stunde voneinander entfernt sind. Das ist die Landschaft, in die sich der Fotograf Alessandro Mallamaci verliebt hat – und Un luogo bello (ein schöner Ort) ist seine Geschichte davon.

LFI: Auf Ihren Fotos wirkt Kalabrien wie eine „unfertige“ Region. Wie würden Sie die Orte in Ihren eigenen Worten beschreiben?
Alessandro Mallamaci: Ich bin in Kalabrien geboren, und die Landschaft, die ich in meinem Projekt darstelle, ist meine Heimat – eine Landschaft, zu der ich gehöre und die zu mir gehört. Auf den ersten Blick mag es aussehen, als wolle ich etwas oder jemanden anprangern oder mich über etwas lustig machen, aber ich glaube, wenn man versucht, tiefer zu gehen, kann man die Liebe hinter jedem Bild lesen. Natürlich existieren auf meinen Bildern auch Wut und Ironie, ohne Zweifel, aber es ist die Ironie derer, die jeden Tag an diesen Orten leben, im Guten wie im Schlechten. Ich möchte kein Urteil fällen, sondern hoffe, dass meine Fotos den Betrachter dazu anregen, sich selbst einige Fragen zu stellen.

Wie lange waren Sie für dieses Projekt unterwegs?
Ich habe vor sechs Jahren begonnen, das Flusstal Sant’Agata in Aspromonte zu fotografieren. Ich brauchte diese Zeit, um zu verstehen, wie ich dieses Projekt am besten angehen sollte. Ich versuchte, die Beziehung zwischen Mensch und Landschaft zu erforschen, aber irgendwann verspürte ich das Bedürfnis, meine Position zu ändern und mich meiner Landschaft zu nähern, indem ich versuche, einen respektvollen und vielleicht sogar liebevollen Blick zu bewahren.

Licht und Schatten scheinen in Ihren Fotos eine wichtige Rolle zu spielen. Gab es Tageszeiten, zu denen Sie am liebsten unterwegs waren?
Anfangs habe ich versucht, das Licht der Morgen- und Abenddämmerung zu meiden, weil es auffälliger ist und dazu beiträgt, Hochglanzbilder zu erschaffen, die allgemein als „schön“ gelten: Alles kann poetisch aussehen, wenn es im richtigen Licht fotografiert wird. Anfangs habe ich sogar versucht, in der Mitte des Tages zu fotografieren, um durch das Zenitlicht einen noch neutraleren, fast objektiven Blick zu erhalten (obwohl ich nicht glaube, dass es möglich ist, objektiv zu sein).
Im Laufe der Zeit bin ich von solch extremen Positionen abgekehrt und habe es sogar vorgezogen, mit einem weicheren Licht zu fotografieren, auch weil es meine Gefühle und die Beziehung zur fotografierten Landschaft widerspiegelt. Das Ergebnis dieser Entwicklung ist ein unglaublich reichhaltiges Portfolio von Bildern, die zu allen Jahres- und Tageszeiten aufgenommen wurden. Dennoch glaube ich, dass es immer noch eine Kohärenz gibt, sowohl in Bezug auf die gewählten Themen, den Bildausschnitt und vielleicht auch die Beziehung zwischen Licht und Schatten, die wahrscheinlich die Schlüsselpunkte meiner Forschung in der Fotografie sind.

Welche Kamera haben Sie benutzt, und wie hat sie Ihnen geholfen, Ihre Ziele zu erreichen?
Ich begann dieses Projekt zum Zeitpunkt des Beginns meiner Zusammenarbeit mit Leica Camera, als Dozent für die Leica Akademie. In dieser Zeit hatte ich das Vergnügen, viele Leica-Kameras zu testen, wie z.B. zuerst die Leica M (Typ 240) und später die Leica M10-P, die Leica Q (Typ 116), die Leica S2 und die S (Typ 007) mit einem Summarit-S 70 mm.
Die Kamera, mit der ich dieses Projekt hauptsächlich realisiert habe, war jedoch eine Leica SL (Typ 601) mit einem Leica Summicron-M 50 mm. Es ist mein Lieblingsobjektiv, weil es vor allem bei offener Blende erstaunliche Ergebnisse liefert. Im Rahmen des Projekts habe ich jedoch fast immer mit eher geschlossenen Blenden fotografiert und generell die Verwendung einer Normalbrennweite vorgezogen. Bei den gleichen Elementen im Feld zwingt sie einen nämlich dazu, einen Schritt zurückzutreten, aus größerer Entfernung zu schauen, weniger in die Szene involviert zu sein – auch wenn ich gerade deshalb so nah dran war, weil ich in das involviert war, was ich fotografierte.
Abgesehen davon, dass diese Brennweite eine exakte Darstellung der perspektivischen Verhältnisse bietet, erlaubte mir die Verwendung des 50-mm-Objektivs, sehr schmale vertikale Abschnitte der Landschaft zu schaffen. Diese wiederum wechseln sich mit weiten Aufnahmen ab, die es einem erlauben, Luft zu holen und die Szenerien eingehender zu beobachten.
Danilo Rößger
ALLE BILDER AUF DIESER SEITE: © Alessandro Mallamaci
EQUIPMENT: Leica SL (Typ 601) u.a. mit Summicron-M 1:1.2/50

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© Martina Procopio
© Martina Procopio

Bis 2008 arbeitete der italienische Fotograf als Botschafter und Ausbilder mit Marken wie Leica und Fujifilm zusammen. Derzeit unterrichtet er an der Akademie der Schönen Künste in Perugia. Seine künstlerischen Projekte und die von ihm gestalteten Bücher wurden auf Kunstmessen und in Galerien u. a. in China, Frankreich, Großbritannien und den USA präsentiert; seine Fotografien wurden in verschiedenen Zeitschriften und Büchern veröffentlicht. Mehr

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