Augenzeuge
Augenzeuge
Alain Keler
12. März 2019
Hauptquartier der russischen Armee, Grosny, Tschetschenien, Januar 1995
Im Januar 1996 entstand dann das heute berühmte, fast surreal anmutende Bild in einem Park in Grosny: „Bei Einbruch der Dunkelheit erreichen wir das Hauptquartier der Armee, in einem der schönsten Parks der Stadt, der heute wie ein Schlachtfeld aussieht. Die erste Szene vor uns ist ein Soldat, der vor anderen Soldaten Klavier spielt. Surreal! Es ist fast kein Licht mehr vorhanden. Ich mache zwei Bilder mit sehr langer Belichtungszeit. Mein Film ist zu Ende. Ich werde ihn so schnell wie möglich wechseln. Aber das Tageslicht verschwindet. Ich drückte nur zweimal den Abzug. Ich muss warten, bis ich nach Frankreich zurückkehre, um herauszufinden, ob ich ein Bild habe.“
Im Labor dann die Sicherheit: es hat funktioniert – Keler hatte sein Bild: Ein Moment musikbegleiteter Ruhe mitten im Kriegsgeschehen. Ein geschundenes Klavier inmitten der schlammigen Ödnis eines ehemaligen Parks. Ein typisches Bild des Fotografen, der meist nicht die unmittelbaren Kriegsereignisse dokumentiert, sondern unerwartete Momente fotografiert. Dies macht die Fotografien Kelers so bewegend zeitlos, denn wenngleich das eigentliche Ereignis bereits Jahre zurückliegt, blickt der Betrachter mit der Empathie des Fotografen auf den Wahnsinn der kriegsversehrten Welt.
Keler ist bestimmt von dem Wunsch, Zeugnis abzulegen und den von historischen Großereignissen überrollten Menschen ein Gesicht zu geben. Sein aktueller Bildband erzählt davon.
Lesen sie mehr über das fotografische Werk von Alain Keler in der LFI 2/2019
Alain Keler+-
Alain Keler wurde am 20. September 1945 in Clermont-Ferrand geboren. Mit 17 Jahren beginnt er zu reisen, Anfang der 1970er-Jahre lebt er in New York, kauft dort seine erste Leica und übernimmt erste Fotoaufträge. 1975 Rückkehr nach Paris, dort startet seine Karriere bei den französischen Nachrichtenagenturen Sygma und Gamma. Ab den 1990er-Jahren entscheidet er sich für die Unabhängigkeit als freiberuflicher Fotograf. 1989 Gründungsmitglied der Agentur Odyssey; 2008 Eintritt in das Fotografenkollektiv MYOP. Viele Langzeitprojekte insbesondere über Minderheiten. Zahlreiche Auszeichnungen, u.a. World Press Award (1985), Grand Prix Paris Match du photojournalisme (1986) und W. Eugene Smith-Foundation Prize (1997). Mehr
Hauptquartier der russischen Armee, Grosny, Tschetschenien, Januar 1995