Staatenlosigkeit: Libanon

William Daniels

20. Oktober 2023

Der Fotograf William Daniels dokumentierte im Rahmen seines groß angelegten Fotoprojekts über staatenlose Menschen das Lager Burj al-Barajneh - einen Ort mit einer der höchsten Bevölkerungsdichten weltweit.
Nachdem 1948 die ersten palästinensischen Flüchtlinge in den Libanon gekommen waren, lebten im Lager Burj al-Barajneh etwa 3500 Menschen. Seitdem ist die dortige Bevölkerung auf 40.000 angewachsen. Da das Lager nur etwa einen Quadratkilometer groß ist, ist seine Bevölkerungsdichte fast die höchste der Welt. Der Fotograf William Daniels hat das Gebiet im Rahmen seines Fotoprojekts über staatenlose Menschen besucht.

LFI: 40.000 Menschen leben auf einer Fläche, die ursprünglich für 10.000 geplant war. Wie haben Sie das Leben dort wahrgenommen, wie kann man sich den Alltag in der Gemeinde vorstellen?
William Daniels:
Die Wohnverhältnisse im Lager sind katastrophal. Trotz des Verbots, Baumaterial ins Lager zu bringen, setzt sich das unaufhaltsame Wachstum vertikal fort. Jeden Tag werden neue Unterkünfte auf den bereits bestehenden errichtet, ohne dass diese ein Fundament haben. 800 Häuser sind schwer beschädigt und müssen renoviert werden; einige stehen kurz vor dem Einsturz. Wegen des chaotischen Strom- und Wassernetzes kommt es häufig zu Zwischenfällen. Die Reichsten können die Sonne vom Dach aus genießen, während die Ärmsten im Erdgeschoss leben, in feuchten Räumen, ohne Fenster und mit wenig Zugang zum Licht.

Wie lange haben Sie sich für das Projekt in Burj al-Barajneh aufgehalten, und wie lief Ihre fotografische Arbeit vor Ort ab?
Ich habe etwa fünf Tage in Burj al-Barajneh verbracht, da ich parallel auch über andere von Staatenlosigkeit betroffene Gemeinschaften recherchiert habe. Wie so oft hängt der Erfolg unserer Arbeit von der Person ab, mit der wir zusammenarbeiten. Ich hatte das Glück, Barrah, einen syrischen Flüchtling, zu treffen, der gute Verbindungen in den Lagern hatte. Das ist sehr wichtig, denn die Menschen können einem Ausländer mit Kamera gegenüber sehr misstrauisch sein; es gibt Milizionäre und Drogenhändler, die verärgert reagieren können, wenn sie mich beim Fotografieren sehen. In solchen Situationen lobe ich mir die Diskretion meiner Leica M, die ich in einer ganz normalen Tasche verstecken kann. In den Häusern von Privatpersonen waren jedoch alle sehr gastfreundlich und sogar dankbar, dass ich über ihr Leben berichtete.

Wie sehen Sie die Zukunft für die dort lebenden Flüchtlinge, und was könnte getan werden, um die Situation zu verbessern?
Es ist schwierig, optimistisch zu sein. Die derzeitige Wirtschaftskrise im Libanon macht die Lage noch schlimmer. 49 Prozent der palästinensischen Flüchtlinge sind jünger als 25 Jahre alt, und mehr als die Hälfte von ihnen ist arbeitslos. Für viele ist die Auswanderung die einzige verbleibende Option. Dem UNRWA, der UN-Organisation, die für die Verwaltung der Lager im Libanon zuständig ist, fehlt es an Mitteln. Meiner Meinung nach besteht die einzige Lösung darin, jungen Palästinensern den Zugang zum libanesischen Arbeitsmarkt zu erleichtern, aber die Behörden befürchten immer noch, dass die Integration von Palästinensern das Gleichgewicht des Landes stören würde. Daher dürfen sie in 39 Berufen wie Medizin, Jura und Ingenieurwesen nicht arbeiten.
Danilo Rößger
ALLE BILDER AUF DIESER SEITE: © William Daniels
EQUIPMENT: Leica M10-P, Summilux-M 1:1.4/35 Asph

LFI 7.2023+-

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William Daniels ist ein in Paris lebender Dokumentarfotograf. In seiner ersten Reportage dokumentierte er 2004 das Leben von Straßenkindern auf den Philippinen. Seitdem hat er zahlreiche Reportagen veröffentlicht, unter anderem im TIME Magazine, National Geographic, The New York Times und Polka Magazine. Für seine Arbeiten wurde er mit dem World Press Photo Award ausgezeichnet sowie mit dem Visa d’or Award und dem Getty Grant 2014. Vertreten wird Daniels von der Agentur Panos Pictures.  Mehr

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