Schaut her! – 100. Geburtstag von Toni Schneiders

Toni Schneiders

27. April 2020

In diesen Tagen wäre der deutsche Leica Fotograf Toni Schneiders 100 Jahre alt geworden.
Konsequente Gestaltung und eine klare Bildsprache zeichnen sein Werk aus. Wie kaum ein anderer hat Toni Schneiders (1920–2006) mit seiner Bildsprache und als Mitglied der Gruppe fotoform die Fotografie seit den 1950er-Jahren in Deutschland geprägt. Eine Hommage zum 100. Geburtstag.

„Es stimmt durchaus bedenklich, wenn man sieht, was heute in Ausstellungen und Jahrbüchern als ‚Moderne Fotografie‘ dargeboten wird. Verzerrte und verlogene Abbilder ohne Inhalt, ohne geistiges Niveau herrschen vor. Der ganze technische Apparat der Fotografie wird eingespannt mit dem einzigen Ziel, den Betrachter zu bluffen.“

Diese Generalkritik zielt nicht etwa auf die heutige Fotografie, auch wenn die Aussagen von Toni Schneiders durchaus auch auf manche aktuelle Bildproduktionen zutreffen könnten, sondern sie entstammen einem Text aus dem Jahr 1952. In der Ausgabe 5 des Magazins Leica Fotografie (heute LFI)* gab sich Schneiders als „Meister der Leica“ die Ehre, wobei er eben nicht von der Redaktion vorgestellt wurde, sondern den Text zu dem Bildportfolio gleich selbst mitlieferte. Umso besser konnte der Leser Einblick in die Überzeugungen und fotografischen Techniken des damals 32-Jährigen erhalten. Leica Fotografie war ein passendes Forum, denn mit Leica verband ihn viel: Er fotografierte in dieser Zeit nicht nur fast ausschließlich mit Leica-Kameras, sondern er war auch an allen technischen Neuerungen interessiert und sollte daher in den nächsten Jahren immer wieder als Tester von Objektiven oder anderen Neuheiten gefragt sein. Diese Erfahrungen teilte er bereitwillig auch der Leserschaft von Fotografie- und Amateurmagazinen mit.

„Eine gute Fotografie ist zeitlos!“ – so einer der in der Leica Fotografie festgehaltenen Merksätze. Und diese Aussage mag erklären, warum bis heute so viele seiner Aufnahmen nichts von ihrer Modernität und eleganten Ausdruckskraft verloren haben. Ohne Zweifel gehört Schneiders zu den bedeutenden Fotografen, die im Deutschland der Nachkriegszeit entscheidend für die Neupositionierung und bildkünstlerische Erneuerung der Fotografie gesorgt haben.

Trotz aller künstlerischer Impulse verstand Schneiders die Fotografie doch immer als unabhängig, so lässt es sich in dem schon erwähnten Text in der Leica Fotografie ablesen: „Die Fotografie hat ihre grundlegenden Impulse stets von der Malerei und Grafik erhalten, und ihre Entwicklung ging bisher mit der der bildenden Künste parallel. Alle ‚Ismen‘ finden sich in der Fotografie wieder und dennoch hat die Fotografie ihre eigenen Gesetze.“ Und er schließt seine Vorstellung mit einer einfachen Zusammenfassung: „Wir sollten wieder lernen, unsere Umwelt positiver zu sehen und gegen uns und unsere Arbeit ehrlicher zu sein: Einfach, klar und wahr.“ Dass er dabei die Nachkriegstristesse gekonnt ausblendete, lag nicht nur an seinen Auftraggebern, sondern war auch seiner fotografischen Neugier und seiner den Menschen zugewandten Persönlichkeit geschuldet.

Geprägt von klarer Komposition, kontrastreich und im virtuosen Spiel aus Licht und Schatten entwickelte er seinen Blick, der dokumentarisch und abstrakt zugleich war. Bei ihm wurde Abstraktion nicht als Abkehr von der Wirklichkeit verstanden, sondern als deren Interpretation und visuelle Verdichtung. Schneiders fand seine Motive überall: in der näheren Umgebung des Bodensees, wo er nach einem kurzen Hamburger Zwischenspiel seit 1951 lebte, aber auch auf seinen vielen Touren zunächst innerhalb Deutschlands und später auf vielen weltweiten Reisen. Dabei reizte ihn nicht das Reisen als solches, bekannte er einmal, sondern „die Möglichkeit, frei (und auch in einem gewissen Sinne spielerisch) zu arbeiten.“

Die Ergebnisse dieser Freiheit sind ebenso wie die Variationsbreite seiner Bildkompositionen eindrücklich in einem neuen Bildband und einer Ausstellung unter dem Titel Schaut her! zu entdecken. Corona-bedingt ist die Ausstellung in München derzeit noch geschlossen, soll aber zu gegebener Zeit erneut geöffnet werden. Im Anschluss zieht die Ausstellung nach Singen weiter.

Das LFI Magazin 4/2020 präsentiert Toni Schneiders in seiner Reihe der Leica Klassiker.
Ulrich Rüter
Alle Bilder auf dieser Seite © Toni Schneiders Estate/Stiftung F.C. Gundlach
EQUIPMENT: Verschiedene M-Modelle, verschiedene Objektive

Toni Schneiders+-

Schneiders wurde am 13. Mai 1920 in Urbar bei Koblenz geboren. Von 1936 bis 1938 Fotografenlehre im Koblenzer Atelier Menzel. Ab 1940 war er Soldat der Lichtbildstelle der Luftwaffe danach Frontberichterstatter. Ab 1948 erstes eigenes Fotostudio in Lindau am Bodensee, Mitbegründer der Gruppe „fotoform“, zahlreiche Gruppenausstellungen. 1950 bis 1951 Übernahme des Ateliers Werner Mannsfeldt in Hamburg. Rückkehr nach Lindau, ab 1953 ausgedehnte Reisen in Europa, Afrika und Asien. Zahlreiche Ausstellungen und Ehrungen, darunter Kulturpreis der DGPh 1999 (zusammen mit den „fotoform“-Mitgliedern Siegfried Lauterwasser und Wolfgang Reisewitz). Schneiders starb am 4. August 2006 in Lindau. Mehr

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