After the Fall

Stewart Weir

16. Februar 2023

Von allen Ländern, die er bereiste, war der Fotograf am meisten von Afghanistan begeistert – seine Porträts spiegeln die Aufgeschlossenheit der Bevölkerung wider.
Es war eine Zeit der Hoffnung und der Zukunft: Nach den Anschlägen auf das World Trade Center und der Kapitulation der Taliban 2001 hielt sich der britische Fotograf in Afghanistan auf, um dort den Alltag und die Menschen auf den Straßen zu dokumentieren. Seine Bilder erzählen von einer Art Normalität des Lebens, von Freude und Zuversicht.

LFI: Gab es einen bestimmten Grund für Ihre fotografische Reise nach Afghanistan?
Stewart Weir:
Ende November 2001, kurz vor dem Zusammenbruch der Taliban, erhielt ich einen Anruf von der Organisation War Child mit der Frage, ob ich im Januar zur Verfügung stünde, um den Aufbau einer Feldbäckerei im Nordosten Afghanistans zu dokumentieren. Nord-Afghanistan wurde von War Child als eine der Regionen eingestuft, die am dringendsten Hilfe bei der Nahrungsmittelproduktion benötigten, und befand sich damals – wie auch heute noch – in einer kritischen Situation. Wir flogen von Manston über Turkmenistan mit einem alten russischen Transportflugzeug nach Herat, das buchstäblich bis unters Dach mit einem Landrover, Generatoren und einer mobilen Bäckerei sowie Vorräten gefüllt war. Ich wurde gebeten, den Aufbau der Feldbäckerei zu dokumentieren. Während meines dreiwöchigen Aufenthalts ging ich mit einem Dolmetscher durch die Straßen von Herat.

Was wollten Sie mit Ihren Bildern zeigen?
Ich hatte kein anderes Ziel, als das tägliche Leben auf den Straßen zu dokumentieren, zusammen mit einigen Straßenporträts. Es war eine Zeit, in der nach Jahren der Kämpfe wieder eine Art Normalität des täglichen Lebens eintrat. Das Ende der Taliban führte zu einem blühenden Markt, auf dem wieder eine größere Auswahl an Waren angeboten wurde. Für Mädchen und Frauen gab es Hoffnung, dass sie eine bessere Ausbildung und damit auch eine Arbeit bekommen würden. Unter der Oberfläche herrschte jedoch die Angst, dass die Taliban zurückkehren würden.

Die Menschen stehen im Mittelpunkt Ihrer Fotografien. Was erzählen sie uns?
Ängste und Träume. Die Kinder sehen oft viel älter aus, als sie tatsächlich sind. Vorfreude auf eine ungewisse Zukunft, auf die Öffnung einer Gesellschaft, die es den Menschen ermöglicht zu arbeiten und Geld zu verdienen, um ihre Familien zu ernähren. Wir sind alle gleich, unabhängig von Glauben und Politik. Wenn ich mir die Bilder ansehe, frage ich mich, was aus den Kindern geworden ist. Viele Jahre lang wäre ich gern zurückgekehrt und hätte einige von ihnen auch wiedergefunden. Leider lassen die Ereignisse in Afghanistan das jetzt fast unmöglich erscheinen. Von allen Ländern, die ich bereist habe, ist Afghanistan bei Weitem das erstaunlichste, mit einer Bevölkerung, die eine Herzlichkeit und Gastfreundschaft zeigt, wie ich sie nicht oft erlebt habe.

Welche Kamera haben Sie für Ihre Serie verwendet, und warum haben Sie sich für Schwarzweißfotos entschieden?
Ich habe in den späten 70er-Jahren zum ersten Mal eine Kamera in die Hand genommen und erst in den frühen 90er-Jahren ernsthaft an eine Fotografiekarriere gedacht. In dieser Zeit wurde ich stark von großen Fotografen wie Josef Koudelka, Édouard Boubat, W. Eugene Smith, Robert Doisneau oder Elliott Erwitt beeinflusst. Bis vor einigen Jahren bevorzugte ich Schwarzweißbilder, sodass ich damals wirklich nur in Schwarzweiß fotografiert habe. Ich benutzte eine Leica M6 und ein 28-mm-Elmarit. Es ist schon so viel über die Vor- und Nachteile von Schwarzweißbildern geschrieben worden, dass ich mich auf einen Punkt beschränken möchte: Schwarzweiß beseitigt die Ablenkung durch Farben.
Katja Hübner
ALLE BILDER AUF DIESER SEITE: © Stewart Weir
EQUIPMENT: Leica M6 mit Elmarit-M 1:2.8/28 Asph

Stewart Weir+-

Nachdem er 1978 von seinem Vater eine Kamera geschenkt bekommen hatte, begann seine lebenslange Liebe zur Fotografie. Stewart Weir gab seinen Job als Immobilienmakler auf, um 1993 mit Anfang 30 als freiberuflicher Fotograf zu arbeiten. 1995 begann er mit seinem ersten Langzeit-Fotoessay über seinen örtlichen Fußballverein – Brighton & Hove Albion F.C. – mit dem Titel More Than Ninety Minutes, der 1997 veröffentlicht und im gesamten Vereinigten Königreich ausgestellt wurde. Zu seinen Fotoessays gehören auch Tokyo: The Sleeping City (2002), Krung Thep: A Street Portrait (veröffentlicht von Art Deco Magpie im Jahr 2022), Cantium (fortlaufend seit 2020) und Brighton Beach Lover (fortlaufend seit 2000). Mehr

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