Buch des Monats: Olmsted Trees

Stanley Greenberg

20. Juni 2022

Visuelle Umarmungen eindrucksvoller Baumriesen: Ein neuer Bildband widmet sich den Persönlichkeiten großer, alter Bäume in amerikanischen Stadtparks.
Individuell, charaktervoll, beständig: Es sind beeindruckende Gestalten, denen der New Yorker Fotograf Stanley Greenberg in seinem neuen Buch eine Porträtgalerie eingerichtet hat. Dabei handelt es sich um alte Bäume wie Eichen, Eschen, Platanen, Rotbuchen, Ulmen und weitere Arten. Eigentlich nicht zu übersehen, aber oft unbeachtet im Grün der städtischen Parkanlagen. In New York beginnend, erkundete der Fotograf 26 Parkanlagen und deren älteste Bäume in sieben amerikanischen Bundesstaaten und Washington, D.C. Mit der Fokussierung auf die Texturen der Stämme wird in den detailreichen schwarzweißen Fotografien die Einzigartigkeit eines jeden Baumes herausgestellt.

Ausgangspunkt für die Serie waren Baumriesen, die der Fotograf gleich gegenüber seiner Wohnung im Prospect Park im New Yorker Stadtteil Brooklyn fand. Auch dieser Park, 1867 eröffnet, hat seine Gestaltung durch Frederick Law Olmsted erhalten. Je mehr sich der Fotograf der Geschichte der Bäume widmete, umso wichtiger wurde auch die Frage nach der Gestaltung der Parkanlagen. Aus den ersten Baumaufnahmen entwickelte er dann eine ganze Serie, die nun – passenderweise zum 200. Geburtstag des Parkgestalters – als Buch vorliegt. Frederick Law Olmsted (1822–1903) ist einer der bedeutendsten amerikanischen Landschaftsarchitekten und gilt als Begründer der amerikanischen Landschaftsarchitektur. Bei seinem ersten Projekt als Landschaftsarchitekt, als er 1857 die Anlage des New Yorker Central Parks übernahm, hatte Olmsted schon ein bewegtes Leben hinter sich. Gleichwohl er einer vermögenden Familie entstammte, hatte er sich als Landvermesser, Verkäufer, Seemann, Landarbeiter, Gutsbesitzer, Journalist, Autor und Verleger versucht, bevor die Gestaltung der in den wachsenden Großstädten mehr und mehr gewünschten Grünflächen und Parks seine eigentliche Berufung wurde. In seinen Parks haben viele Baumriesen alle radikalen städtischen Veränderungen überlebt. Olmsted war sich bewusst, dass seine Gestaltungen erst viele Jahrzehnte nach seinen Planungen ihre eigentliche Sichtbarkeit erlangen und eine überzeugende Wirkung erzielen würden. Diese „zukünftige Wirkung“, die Olmsted betonte, lässt sich nun in den Aufnahmen von Greenberg bestens entdecken.

Mit Olmsted Trees ist weniger ein dokumentarisches Projekt, denn ein konzeptionelles entstanden. In den Aufnahmen erhalten die Bäume beinahe menschliche Züge. Die Rinde erscheint wie die stark gegerbte Haut eines Lebewesens; das individuelle Aussehen lässt den Betrachter über die jeweilige Geschichte eines Baumes nachdenken. Die Spuren der Zeit haben sich in die Oberflächen eingeschrieben, die zukünftigen Herausforderungen der fortschreitenden Klimaveränderung werden auch an diesen Baumriesen nicht spurlos vorbeigehen. Der Bildband stellt nicht nur ein Kapitel moderner Stadtplanung vor, sondern ist eine beeindruckende visuelle Hommage an das Alter, aber auch an die Vegetation, die das Leben in der Stadt erträglicher macht. Greenbergs Porträts sind liebevoll und persönlich, sie bezeugen die Zerbrechlichkeit und Vergänglichkeit der durch den Menschen gestalteten Natur. (Ulrich Rüter)

Stanley Greenberg: Olmsted Trees
mit Texten von Tom Avermaete, Kevin Baker und Mindy Thompson Fullilove.
160 Seiten, 100 Schwarzweißabb., Deutsch/Englisch, 23 × 28 cm.
Hirmer
ALLE BILDER AUF DIESER SEITE: © Stanley Greenberg

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(C) John Trotter
© John Trotter

Stanley Greenberg (*1956 in Brooklyn) studierte Kunstgeschichte und öffentliche Verwaltung in New York, arbeitete in der New Yorker Stadtverwaltung, bevor er sich ganz der Fotografie widmete. Er ist Autor vieler Bücher, darunter CODEX: New York, Time Machines, Architecture Under Construction, Invisible New York. Greenberg lebt und arbeitet in Brooklyn, New York. Mehr

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