Photographie Humaniste
Photographie Humaniste
Sabine Weiss
16. April 2018
Amoreux, place de la Réoublique, Paris, 1954
Im Mittelpunkt ihrer Arbeit steht Paris und auch wenn die 93-Jährige fast in der ganzen Welt unterwegs war, verbindet sich ihr Werk doch insbesondere mit der französischen Metropole, in der sie seit 1946 lebt. Als geübte Porträtistin hat sie nicht nur zeitlose Charakterstudien von Prominenten geschaffen, sondern sie hat auch immer wieder Menschen auf der Straße in zufällig gesehenen Situationen fotografiert. Sie ist eine brillante Geschichtenerzählerin, ihre Aufnahmen leben von einer genauen Beobachtungsgabe und vielschichtigen atmosphärischen Schilderung des Alltagslebens. Durch das feine Sensorium der Fotografin öffnet sich der Blick auf die kleinen Dinge des Lebens, Weiss zeigt den Alltag, die Arbeit, aber auch die Freizeit der fotografierten Personen.
Bereits 1956 stellte Robert d´Hooghe die Fotografin in der LFI als „Meister der Leica“ vor: „Und schon begann Paris wieder seine alte Faszination auf die Jugend der Welt auszuüben. Unter denen, die sich in Paris trafen, war auch ein junges Mädchen aus der Schweiz. Sie war gerade zwanzig Jahre alt, hatte eine solide Lehre in einem Schweizer Fotografenatelier hinter sich und das Leben vor sich. Bald kannte man ‚Sabine‘ in den Kreisen der jungen Dichter, Maler und Musiker zwischen Montparnasse, St. Germain-des-Près und Montmartre, die damit beschäftigt waren, in endlosen Debatten die morsche Welt aus den Angeln zu heben und neu zusammenzusetzen. Wenn sie sich in die Diskussion mischte, vergaß sie nie zu betonen, dass sie Fotografin sei, und nicht „Künstlerin“. Aber sie war keineswegs schüchtern. Sie fand, dass ihre Freunde zwar ausgezeichnete Kunsttheorien entwickelten, aber nicht verstünden zu sehen. Unter „sehen“ verstand sie: bewegt werden von den visuell erfassbaren Eindrücken der Umwelt und von den Zusammenhängen, die sich darin andeuten. Man nahm Sabine, die energische Sabine mit den hellen Augen, durchaus ernst; so ernst, dass der nur um weniges ältere englische Maler Hugh Weiss sie heiratete.“ Der zeittypische Chauvinismus, der aus diesen Zeilen spricht, ist heute überholt, aber der Text beschreibt bis heute sehr eindrücklich die Fähigkeit des fotografischen Sehens von Sabine Weiss. Denn das ist in der Tat außergewöhnlich präzise und hat ein Zeitgefühl konserviert, das bis heute prägend wirkt.
Ausstellungen
Noch bis zum 15. April gilt es gleich drei Ausstellungen in den Loire-Städten Orléans und Olivet zu besuchen. Außerdem läuft in Zürich Vers la lumière in der Galerie Artef (bis zum 30. Juni). Im Sommer würdigt dann das Pariser Centre Pompidou das Lebenswerk von Weiss mit einer Ausstellung.
In Deutschland wird Sabine Weiss von der Berliner Galerie Hilaneh von Kories vertreten. Im letzten Jahr lief dort die Ausstellung Un regard personnel.
Das Copyright aller hier gezeigten Aufnahmen liegt bei Sabine Weiss / courtesy Galerie Hilaneh von Kories
Sabine Weiss+-
Geboren 23. Juli 1924 als Sabine Weber in Saint-Gingolph, Schweiz. Nach ihrer Lehre im renommierten Atelier Boissonnas in Genf zog sie 1946 nach Paris. Sie arbeitete zunächst als Assistentin des Modefotografen Willy Maywald; ab 1949 war sie als freischaffende Fotografin tätig. 1950 heiratete sie den amerikanischen Künstler Hugh Weiss (1925–2007). Sabine Weiss wurde 1952 Mitglied der Fotoagentur Rapho und arbeitete für zahlreiche nationale und internationale Magazine. Die Wiederentdeckung des schwarzweißen Frühwerks in Ausstellungen seit den späten 1970er-Jahren wurde von neuen Arbeiten begleitet, die auf zahlreichen Weltreisen entstanden. Bevorzugt arbeitete sie mit einer Leica und einer Rolleiflex. 2017 wurde die Fotografin, die längst einen französischen Pass besaß, von der Swiss Photo Academy für ihr Lebenswerk ausgezeichnet. Am 28. Dezember 2021 verstarb sie in Paris. Ihr Nachlass wird von Photo Elysée in Lausanne betreut und umfasst rund 160 000 Negative, 7000 Kontaktbögen, 8000 Prints, 46 000 Diapositive und umfangreiches Dokumentationsmaterial. Mehr
Amoreux, place de la Réoublique, Paris, 1954
Alberto Giacometti dans son atelier, 46, rue Hippolyte-Maindron, Paris, 1954
Garçon jouant, New York, États-Unis, 1955
Pennsylvania Station, New York, 1962
Monastère des chats sauteurs, Nga Phe Kyaung, Birmanie 1996
Espagne, 1981