Ungefiltert

Robert Eliasson

26. Juni 2023

Wer sind die Menschen neben den kubanischen Postkartenmotiven in Zeiten der Wirtschaftskrise?
Aktuell ist die Arbeitslosigkeit in Kuba durch die Wirtschaftskrise sehr hoch. „Opas Revolution“ ist in den Gedanken nach hinten gerückt. Dieser Verzweiflung und ständigen Zukunftssorgen sieht Robert Eliasson auf seinen letzten Kubareisen ungefiltert ins Auge.

LFI: Sie sind mehrfach nach Havanna, Kuba, gereist, um die Menschen, die das Land ausmachen, zu fotografieren. Erinnern Sie sich noch an den Schlüsselmoment, in dem Sie sich in das Land verliebt haben?
Robert Eliasson: Vor Jahren habe ich in Stockholm im Fernsehen eine Werbung für Kuba gesehen und war fasziniert von den Farben, dem Licht und den Autos. Schon eine Woche danach setze ich erstmals in Havanna meinen Fuß auf Kuba. Als ich dort angekommen war, überwältigte mich sofort das stolze und hilfsbereite Wesen der Kubanerinnen und Kubaner. Niemand ist allein, wenn er die Haustür hinter sich schließt. Die Leute können sich dort aufeinander verlassen und unterstützen sich gegenseitig sofort, wenn in der Nachbarschaft Hilfe benötigt wird. Sie müssen sich aber auch aufeinander verlassen können, weil sie wissen, dass sie im selben untergehenden Boot sitzen. Es ist gerade viel los in Kuba. Die jüngere Generation findet keine Arbeit mehr. Allein im Jahr 2022 wurden mehr als 220.000 kubanische Bürger – zwei Prozent der kubanischen Bevölkerung – an der Grenze zwischen den USA und Mexiko angetroffen. Das ist ein Anstieg um 470 Prozent gegenüber 2021. Die meisten sind junge alleinstehende Erwachsene.

Wie haben Sie Zugang zu den Personen erhalten, sodass Sie deren intimen Bereich besuchen durften?
Ich interessiere mich sehr für die Menschen auf Kuba, für ihr Umfeld und wie sie darin leben. Dazu benötigt es natürlich Vertrauen, und zum Vertrauen gehört Geduld. In jedem Fall musste ich im Gegenzug bereit sein, mich meinem Gegenüber zu öffnen und ihm meine Persönlichkeit zeigen. Es ist ein Geben und Nehmen. Das ist auch der Grund für die häufigen Reisen. Ich schlendere durch die Stadt, sitze in Cafés und warte – und oft werde ich ohne eigenes Zutun angesprochen. So lerne ich die Kubaner kennen. Das alles passiert vorerst, ohne die Kamera im Anschlag zu haben. Zuerst lasse ich eine zwischenmenschliche Verbindung entstehen, bevor ich schließlich frage, ob die Person sich von mir fotografieren lässt. Meistens sind sie sehr aufgeschlossen. Es ist eine langsame und achtsame Art Bilder aufzunehmen.

Wer ist der Künstler, der aus dem Fenster blickt?
Das ist Fabian Hernández, ein kubanischer Straßenkünstler. Er wird auch der „Banksy von Kuba“ genannt. Ich war sofort fasziniert von seinen Wandbildern, die überall in der Stadt zu sehen sind. Diesen Künstler wollte ich unbedingt finden und kennenlernen. Aber es hat drei Jahre lang gedauert, bis ich ihn dann durch einen Zufall fand. Eigentlich wollte ich die Dame besuchen, die mir ein Apartment vermietet hatte. Sie war gerade einkaufen, und ich stand vor verschlossener Tür. Während ich vor dem Haus saß und wartete, kam dieser Mann aus dem Nachbarhaus und begann, eine Wand zu bemalen. Ich erkannte den Stil, und mir wurde klar – das ist er! Wir wohnten die ganze Zeit in derselben Straße. Wir kamen ins Gespräch und lernten uns kennen. Schließlich habe ich Fabian für eine gemeinsame Ausstellung im Lydmar Hotel Stockholm vom 26. Januar bis zum 23. April 2023 nach Schweden geholt. Er bemalte für die Ausstellung die Wände der Lobby.

Welches Equipment verwenden Sie, und wie erleichtert Ihnen die Leica den Moment der Aufnahme?
Die Markteinführung der spiegellosen Leica SL hat meine Fotografie durch den elektronischen EyeRes-Sucher viel bequemer gemacht. Alles ist bis ins Detail im Sucher sichtbar, sodass ich das Bild optimal komponieren kann. Aktuell fotografiere ich mit der Nachfolgerin Leica SL2. Auf der anderen Seite bevorzuge ich den Bildlook eines analogen Kodachrome-Films – die Plastizität des Bildes, das Schärfeempfinden sowie die Farbigkeit. Mit dem Summilux-M 1:1.4/28 Asph und dem Summicron-M 1:2/35 Asph komme ich diesem Look relativ nahe. Auf diese Kombination kann ich mich immer verlassen.
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EQUIPMENT: Leica SL mit Summilux-M 1:1.4/28 Asph und Summicron-M 1:2/35 Asph

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@ Johan Bergmark_Robert Eliasson
© Johan Bergmark

Der schwedische Fotograf ist in Äthiopien, Nigeria, Barbados sowie Trinidad und Tobago aufgewachsen. Heute lebt er in Stockholm. Vor 15 Jahren kam er als Autodidakt zur Fotografie. 2012 wurde er zum Leica-Botschafter ernannt. Weiter ist er als Kurator für das Stockholmer Lydmar Hotel tätig, wo regelmäßig auch seine Fotografien zu sehen sind. Er war der erste ausländische Fotograf, der 2017 dazu eingeladen wurde, in der Fábrica de Arte Cubano, Havanna, seine Werke auszustellen – eine alte Speiseölfabrik, die zum kulturellen Zentrum der Stadt geworden ist.   Mehr

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