Ralph Gibson in den Deichtorhallen Hamburg

Ralph Gibson

24. April 2023

Die große Retrospektive Secret of Light präsentiert einen spannenden Überblick über das Lebenswerk des amerikanischen Leica-Fotografen.
Großer Andrang zur Eröffnung der Ausstellung am Donnerstagabend in den Hamburger Deichtorhallen, galt es doch nicht nur, bei der Eröffnung der umfangreichen Retrospektive dabei zu sein, sondern auch die Chance zu nutzen, den Fotografen bei einer musikalischen Improvisation auf seiner Gitarre zu erleben. Nach den Reden konnte man den anscheinend völlig entspannten Gibson auf der Bühne sehen, der zu projizierten eigenen Aufnahmen und Bildcollagen mit seinen Jazzimprovisationen beeindruckte. Viel Applaus und vor allem große Begeisterung für die Ausstellung, die immerhin über 300 Werke präsentiert. Eine der bisher umfangreichsten Werkschauen, die jemals zum Werk Gibsons zusammengestellt wurden, und der Fotograf war denn auch voll des Lobes für die Kuratorin der Deichtorhallen, Sabine Schnakenberg, und für ihre präzise Auswahl und Hängung.

Der Bogen spannt sich von seinen frühesten Aufnahmen aus den 1960er-Jahren bis heute und entwickelt sich anhand von zwölf Werkgruppen zu einem spannenden Einblick in sein Lebenswerk. Die jüngsten Aufnahmen, in denen sich der Fotograf vor allem Naturstudien widmet, entstanden erst im letzten Jahr. Nicht fehlen dürfen die wichtigen frühen Werkblöcke seiner Black Trilogy, mit denen er für Furore sorgte, nachdem er sie ab 1970 im eigenen Verlag als Bildbände veröffentlicht hatte: Längst ikonische Bildmotive aus den Serien The Somnambulist, Deja-Vu und Days at Sea verdeutlichen noch heute eindrücklich, mit welcher Konsequenz sich Gibson als künstlerischer Fotograf in dieser Zeit positionierte und so zu einem prägenden, stilbildenden Vorbild der internationalen Fotografie wurde.

Gibson hatte sich früh entschieden, nicht die fotografische Wiedergabe von Realität in seinen Aufnahmen zu thematisieren, sondern die Fotografie selbst als ästhetische Realität zu begreifen. Seine Bildsprache isoliert, abstrahiert, spielt mit Licht und Schatten, sodass viele der Motive eine magische Wirkung entfalten, die mühelos zwischen Realität und Unterbewusstsein, Wirklichkeit und Fantasie, Erinnerung und Projektion changiert.

Für Leica-Liebhaber ist die Ausstellung ohnehin ein Muss, denn hier zeigt sich wieder einmal überzeugend, wie wichtig das richtige Werkzeug für die Umsetzung der eigenen ästhetischen Vision ist. Ab den frühen 1960er-Jahren vertraute Gibson auf Leica-Kameras, und eine Leica Monochrom brachte ihn dann auch zum Wechsel von der von ihm lange als einzig gültige Form der Fotografie geschätzten analogen Technik zur Digitalfotografie. Dieser Schritt war dann konsequent und unumkehrbar, wie die Serien ab 2012 belegen: „Ich habe jetzt 55 Jahre in der Dunkelkammer verbracht, und es ist mein aufrichtiger Wunsch, die nächsten 55 Jahre in einem digitalen Raum zu arbeiten“, so sein Kommentar. Bis heute scheint die Kreativität des mittlerweile 84-Jährigen unerschöpflich, und so ist diese Ausstellung ein Ereignis!
Ulrich Rüter
ALLE BILDER AUF DIESER SEITE: © Ralph Gibson

LFI 8.2021+-

Ein Interview mit Gibson finden Sie im LFI Magazin 8.2021. Mehr

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RG-Beverly Glen, 1967
© Ralph Gibson, 1967

Wurde am 16. Januar 1939 in Los Angeles, Kalifornien, geboren. Studium der Fotografie bei der U.S. Navy und von 1960–62 am San Francisco Art Institute, Arbeit als Assistent bei Dorothea Lange 1961–62 und Robert Frank 1967–68. Seinen Verlag Lustrum Press gründete Gibson 1969. Mittlerweile sind über 40 Monographien erschienen. Er ist in den wichtigsten Sammlungen und Museumskollektionen vertreten, wurde international ausgestellt und vielfach ausgezeichnet, darunter 1988 mit der Leica Medal of Excellence, 2018 mit dem französischen Verdienstorden L’ordre national de la Légion d’honneur, und 2021 wurde er in die Leica Hall of Fame berufen. Er lebt in New York. Mehr

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