Backyard Diaries: Atlantic City

Nikita Teryoshin

12. August 2020

Für sein Projekt Backyard Diaries hat sich der Berliner Fotograf Nikita Teryoshin in Städten wie St. Petersburg, Bangkok oder Atlantic City auf die Suche nach Straßenkatzen begeben. In den unwirtlichsten Ecken der Städte hat er sie gefunden.
LFI: Ihre Arbeiten setzen sich sonst eher mit gesellschaftspolitischen Themen auseinander. Wie sind Sie jetzt auf die Katze gekommen?
Nikita Teryoshin: Ich habe großes Interesse an Politik und gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Zusammenhängen. Ich interessiere mich aber auch dafür, wie sich diese Verhältnisse in der Beziehung zwischen Mensch und Tier widerspiegeln. Schon in meiner Abschlussarbeit Hornless Heritage über die deutsche Milchkuh habe ich diesen Mechanismus von Überlegenheit und Ausbeutung untersucht. Als ich 2019 wegen einer Waffenmesse in St. Petersburg war, entdeckte ich im Hinterhof völlig unterschiedlich aussehende Katzen. Da fiel mir zum ersten Mal auf, wie spannend sie optisch sind und wie viel Charakter sie haben. Ich begann zu fotografieren und merkte, wie viel Spaß mir das macht: eine willkommene Abwechslung zu den Waffenmenschen.

Manche Katzen sehen arg mitgenommen aus. Hatten Sie jemals das Gefühl, ihnen helfen zu müssen?
Ich hatte natürlich immer Futter dabei. Ich sehe es aber nicht als meine Aufgabe, alle Katzen der Welt zu retten. Eher versuche ich, die Aufmerksamkeit auf sie zu lenken. Ich fand es reizvoll, diese Katzen „von ganz unten“ in diesem Format zu zeigen. Ich bin ein großer Fan von Bruce Gildens Serie Faces und wollte die Katzen als Hommage genau auf diese Art zeigen. Genau wie seine Protagonisten übersieht man oft auch Straßenkatzen. Ihr Leben hat sie gezeichnet und so haben sie im Vergleich zu Rassekatzen optisch einen starken Charakter.

Was motiviert Sie, zu fotografieren?
ls ich mich mit zwanzig auf einer Kunsthochschule beworben habe, war meine Motivation noch, mit meiner Fotografie die Welt zu verändern. So weit würde ich heute nicht mehr gehen, aber ausgeschlossen ist es nicht …
Es geht mir einerseits darum, marginalisierte Gruppen zu zeigen, die sonst nicht vorkommen und andererseits darum, Dinge zu fotografieren, die dafür nicht vorgesehen waren und Inszenierungen der Macht zu durchbrechen. Ein Freund hat meinen Ansatz mal als diebische Freude bezeichnet, das finde ich sehr treffend.

Gibt es weitere Pläne für die Serie?
Ich habe vor, zu jeder Stadt in kleiner Auflage ein Backyard Diaries-Fanzine zu gestalten und zu veröffentlichen. Danach möchte ich das Projekt in Istanbul und Tel Aviv fortsetzen.

Das gesamte Portfolio und Interview finden Sie in der LFI 6/2020.
Denise Klink
ALLE BILDER AUF DIESER SEITE: © Nikita Teryoshin
EQUIPMENT: Leica S007 mit Summarit-S 1:2.5/70 Asph

Nikita Teryoshin+-

1986 im heutigen St. Petersburg geboren, wuchs Teryoshin später in Dortmund auf. Dort absolvierte er einen Bachelor in Fotografie an der Fachhochschule. Neben seinen freien Projekten ist er ein gefragter Presse- und Magazinfotograf mit regelmäßigen Veröffentlichungen in Zeit, Spiegel und Vice. Teryoshin gewann bereits mehrere renommierte Fotopreise, zuletzt den World Press Photo Award 2020. Mehr

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