Nachruf: Evelyn Richter

12. Oktober 2021

Am Sonntag ist Evelyn Richter mit 91 Jahren in Dresden verstorben.
Sie galt als die Grande Dame ostdeutscher Fotografie, dabei hat sie stets möglichst wenig Aufhebens um ihre eigene Person gemacht. Ihr Blick war präzise und unsentimental, das Werk ist von strengem Ernst und großer Empathie für die von ihr Porträtierten, aber auch feiner Melancholie geprägt. Im Mittelpunkt des Werks der 1930 in Bautzen geborenen Fotografin standen Menschen auf der Straße, Reisende, Fabrikarbeiter, Museumsbesucher, aber ebenso finden sich auch Porträts von Künstlern, Schriftstellern und Musikern.

Mit ihrer diskreten Leica idealisierte sie die Realität ihres Heimatlandes nicht, sondern setzte sich stets sehr differenziert mit dem Leben in all seinen Widersprüchen im „real existierenden Sozialismus“ der DDR auseinander. Als freischaffende Fotografin hat sie ein vielschichtiges sozialdokumentarisches Werk hinterlassen und gilt heute als eine der wichtigen autonomen Stimmen deutscher Fotografie. Ihre jahrzehntelange künstlerische Arbeit, die neben den Auftragsfotografien entstand, wurde erst spät, nach der Wende, einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht und international gewürdigt.

Die Fotografin hat viele Ehrungen erhalten, darunter den Kunstpreis der DDR (1989), den Kulturpreis der Deutschen Gesellschaft für Photographie (1992), das Stipendium an der Deutschen Akademie Villa Massimo, Rom (1997) und die Ehrenmitgliedschaft der Sächsischen Akademie der Künste (2013). Seit 2009 ist das Evelyn Richter Archiv im Museum der bildenden Künste in Leipzig beheimatet. Im letzten Jahr zeigte das Dresdner Albertinum eine Ausstellung ihrer Arbeiten und sie wurde als erste Preisträgerin mit dem Bernd-und-Hilla-Becher-Preis der Stadt Düsseldorf ausgezeichnet.

Am Sonntag ist Evelyn Richter mit 91 Jahren in einem Dresdner Pflegeheim, in dem sie nach einem Schlaganfall lebte, verstorben.

Im LFI-Magazin haben wir Evelyn Richter im Heft 6/2016 als Leica Klassikerin vorgestellt.
 

Nachruf: Evelyn Richter