Nachruf: Elliott Erwitt

1. Dezember 2023

Der unvergleichliche Magnum-Fotograf und Leica-Liebhaber ist mit 95 Jahren verstorben. Vor wenigen Wochen berief ihn die Leica Camera AG für sein Lebenswerk in die Leica Hall of Fame. Elliott Erwitt hat der Welt in acht Jahrzehnten unzählige unvergessliche Momente geschenkt. Sie werden bleiben.
„Wir sind traurig darüber, dass Elliott Erwitt nach 95 außergewöhnlichen Jahren friedlich zu Hause im Kreise seiner Familie verstorben ist“, lautete die am 30. November auf seinem offiziellen Instagram-Account veröffentlichte Nachricht. Mit der Familie trauert nicht nur die gesamte Foto-Community, sondern darüber hinaus weit mehr Menschen weltweit, denn kaum ein anderer Fotograf hat es vermocht, mit seinen Aufnahmen so direkt, charmant und humorvoll zu begeistern.

Ob Prominente oder unbekannte Zeitgenossen, ob auf der Straße oder im Museum: Der Fotograf hatte ein untrügliches Gespür für den Moment, für das ikonische Motiv. Elliott Erwitt fiel es offenbar ganz leicht, die Absurditäten des Alltags mit Humor und Empathie zu dokumentieren. Nicht selten spielten dabei auch Hunde eine tragende Rolle. Doch bei aller Hundeliebhaberei sollte die Vielfalt seiner Arbeit nicht vergessen werden. Seit 1953 war er Mitglied der Agentur Magnum, übernahm alle möglichen Arten von Aufträgen, von Mode bis Politik. Mühelos wechselte er zwischen Werbeaufnahmen und Auftragstätigkeiten, Reportagen und freien Arbeiten. Diese waren ihm am liebsten, entstanden sie doch einfach nebenbei. Und glücklicherweise hatte er hierfür immer seine Leica dabei. In unzähligen Bildbänden und Ausstellungen ist sein Werk präsent und populär geworden. Es erscheint durchgängig von der für ihn typischen eleganten Leichtigkeit, von Humor und Spontaneität geprägt. Gute Grundlagen, die seinen Fotografien – ob Alltagsbeobachtungen oder Aufträge, ob tierisch oder politisch, ob Stillleben oder Porträt – immer eine erstaunliche emotionale Komplexität geben. So sind seine Motive direkt und unterhaltsam, empfindsam und pointiert, dabei ebenso amerikanisch wie kosmopolitisch.

Die Fotografie war dem als Elio Romano Ervitz am 26. Juli 1928 in Paris Geborenen nicht in die Wiege gelegt. Seine Familiengeschichte ist von den großen politischen Verwerfungen des ersten Drittels des 20. Jahrhunderts geprägt. Seine Eltern, russisch-orthodoxe Juden, die nach der russischen Revolution 1917 nach Paris geflüchtet waren, zogen von dort nach Mailand, konnten vor dem Faschismus 1939 über Frankreich in die USA emigrieren. Auch in den Vereinigten Staaten war er zunächst rastlos, bis New York City ab 1949 zu seinem Lebensmittelpunkt wurde. Zeitlebens ist er weiterhin viel gereist, beherrschte vier Sprachen. Bis jetzt lebte er etwa 60 Jahre lang in der Upper West Side von Manhattan. Dort ist er am 30. November im Kreis seiner Familie friedlich eingeschlafen. Er war viermal verheiratet, hinterlässt sechs Kinder, zehn Enkel und drei Urenkel.

Am 12. Oktober hat ihm die Leica Camera AG auf der feierlichen Celebration of Photography den Leica Hall of Fame Award verliehen. Die persönliche Ehrung sollte im nächsten Jahr mit der Eröffnung der neuen Leica Galerie in New York gefeiert werden. Die dort ab März gezeigte Ausstellung wird nun zu einer Würdigung ohne den großartigen Fotografen. Doch seine vielen fotografischen Augenblicke haben ihn bereits jetzt unsterblich werden lassen. Danke, Mr. Erwitt.
Ulrich Rüter
Alle Bilder: © Elliott Erwitt / Magnum Photos

LFI 8.2023+-

In der LFI 8.2023 wird Elliott Erwitt anlässlich des Leica Hall of Fame Awards mit einem großen Portfolio geehrt. Mehr

Ausstellung+-

Die aktuell in der Leica Galerie Wetzlar präsentierte Ausstellung, für die der Fotograf 50 seiner Lieblingsmotive aus sieben Jahrzehnten ausgewählt hat, ist noch bis Mitte Januar zu sehen.

1/9
1/9

Nachruf: Elliott Erwitt