Jen Osborne: Wenn ich an die Ukraine denke…
Jen Osborne: Wenn ich an die Ukraine denke…
Jen Osborne
18. März 2022
Ich fragte Sasha, ob ich ein Foto machen dürfe, wenige Minuten nachdem wir uns trafen. Sasha (rechts) posierte mit seinem Freund Levko (links). Dies war ein Stützpunkt des Donbass-Bataillons in Tscherkaske in der Ukraine, wo Sasha zu dieser Zeit seine Ausbildung zum Soldaten absolvierte.
Monate später heirateten Sascha und ich in Obolon, einem Arbeiterviertel in der Nähe des Zentrums von Kiew. Ein Jahr später zogen wir nach Kanada. Eigentlich wollten wir Europa nicht verlassen, aber als ausgebildeter Soldat war Saschas Leben in seiner Heimat in Gefahr. In Sicherheit verfolgte Sascha im Norden von Vancouver Island auf seinem iPad, wie Putin im Februar 2022 in die Ukraine einmarschierte. In der Gegend, in der wir sechs Jahre zuvor geheiratet hatten, überfuhr ein gepanzertes russisches Fahrzeug ein ziviles Auto. Ich sehe seinen Wunsch zurückzugehen, sein Volk zu unterstützen und zu kämpfen. Sascha mag noch am Leben sein, weil ich ihn aus der Ukraine geholt habe. Aber ich weiß, dass er hier nicht glücklich ist, in diesem Land mit Geld, dem es an Seele mangelt.
In Beziehungen geben wir uns dem anderen hin. Früher dachte ich, ich hätte mein aufregendes Leben in Europa geopfert, um meinen Mann nach Kanada zu holen. Aber jetzt verstehe ich, dass Sascha seine Identität für mich aufgegeben hat. Er ist mit seinem neuen Leben nicht im Reinen. Für ihn ist die Ukraine ein Konzept – ein Abbild seines Herzens und ein Symbol der Freiheit. Für die Souveränität seines Landes ist er bereit zu sterben. Vielleicht geht er bald wieder in den Kampf. Welche Wahl habe ich dann? Ich ginge mit ihm zurück, um zu fotografieren. Ich täte das, was ich am besten kann.“
Jen Osborne+-
Jen Osborne ist eine kanadische Fotografin, deren Arbeiten international veröffentlicht wurden, u. a. im Stern, der Sunday Times, New York Times und im Magazin Maclean’s. Zahlreiche Ausstellungen, u.a. beim Festival Visa pour l’image in Perpignan, in der Aperture Gallery oder beim Festival Les Rencontres d’Arles. In ihren aktuellen Projekten beschäftigt sie sich mit Freiwilligenmilizen in den USA und der Rettung von Wildtieren nach den Buschbränden in Australien. Mehr
Ich fragte Sasha, ob ich ein Foto machen dürfe, wenige Minuten nachdem wir uns trafen. Sasha (rechts) posierte mit seinem Freund Levko (links). Dies war ein Stützpunkt des Donbass-Bataillons in Tscherkaske in der Ukraine, wo Sasha zu dieser Zeit seine Ausbildung zum Soldaten absolvierte.