Buch des Monats: feest

Ed van der Elsken

19. November 2020

Eine Entdeckung: bei der Aufarbeitung des Nachlasses des niederländischen Fotografen (1925–1990) haben die Kuratoren mit dem Fund eines fast fertigen Fotobuch-Dummys eine Überraschung erlebt. Nun ist das Buch publiziert – mit 60-jähriger Verspätung.
Ed van der Elsken muss um 1960 an diesem Projekt gearbeitet haben, eine Auswahl von Bildern war getroffen, erste Seiten montiert und auch der Titel bereits bestimmt: feest (Fest). Warum das Buch nie publiziert wurde, lässt sich heute nicht mehr rekonstruieren. Umso schöner, dass nun dieser handliche Bildband von nur 17,5 x 11,5 cm endlich erstmals sein Publikum im Rahmen der Ausstellung Ed van der Elsken: Crazy World im Amsterdamer Rijksmuseum findet.

Ein Buch, das alle möglichen Anlässe von Zusammenkünften feiert und daher 60 Jahre später, in einer Zeit, da Geselligkeit und Nähe pandemiebedingt auf ein Minimum beschränkt sind, den Betrachter umso mehr berührt: Der Bilderreigen von feest zeigt Straßenumzüge und Karneval, Musik und Tanz, Jahrmärkte und Feuerwerke. Momente, in denen der Spaß am Leben, Glück und Euphorie fröhliche Urständ feiern, aber auch Trunkenheit und die völlige Erschöpfung in den frühen Morgenstunden dazugehören.
Bei genauerem Durchsehen entdeckt man neben all den niederländischen Szenen, vor allem in Amsterdam fotografiert, auch Aufnahmen von Mai-Demonstrationen und Militärparaden aus Paris, Szenen aus Südafrika, Hongkong, Las Vegas oder eine Prozession aus Mexiko. Das Buch dokumentiert somit nicht nur ernstere Straßenszenen, sondern auch die Lebensstationen des Fotografen, der von 1950 bis 1954 in Paris lebte und Ende der 1950er-Jahre eine Weltreise unternommen hatte. Etwa zwei Drittel der Motive entstanden zwischen 1958 und 1961, die frühesten Aufnahmen datieren um 1950, kurz nachdem die Karriere des Fotografen startete. Mit anderen Bildbänden sollte der Fotograf in diesem Jahrzehnt für Furore sorgen. So war sein erstes Buch Liebe in Saint Germain des Prés, das 1956 unter dem Originaltitel Een liefdesgeschiedenis in Saint Germain-des-Prés ein sensationeller Durchbruch. Auch Jazz und später Sweet Life, das die Eindrücke der Weltreise versammelte, gelten heute als wichtige Bildbände der Zeit.
Warum van der Elsken den nun wiederentdeckten Buch-Dummy nicht fertigstellte, bleibt damit umso rätselhafter. Die beiden Kuratoren vermuten in ihrem spannenden, das Buch begleitenden Text, dass der Fotograf Ende der 1950er-Jahre unzufrieden mit der Verlagssituation war, da er für Sweet Life zunächst nur schwer einen Verleger finden konnte und er sich ab 1961 vor allem auf seine Filmrojekte konzentrierte. Als er Ende der 1960er-Jahre wieder vermehrt fotografierte, dann auch mit einer Leica, war die Zeit über das Projekt hinweggegangen.
Erst in der Rückschau wird nun deutlich, mit welcher Direktheit und Unmittelbarkeit der Fotograf damals unterwegs war und das Leben in all seinen Facetten feierte. Entstanden ist mehr als eine Zeitchronik, sondern ein frühes Beispiel seiner leidenschaftlichen Street Photography und ebenso ein Musterbeispiel für progressives Buchdesign. Alle Bilder erscheinen randlos, der Wechsel von ganzseitigen Abbildungen und kleinteiligen Zusammenstellungen sowie der Einsatz schwarzer Leerseiten geben dem Buch eine faszinierende Dynamik, die sich bis zum Ende durchzieht. Dieses Buch nimmt man gern zur Hand. Eine echte Entdeckung eben. (Ulrich Rüter)

Ed van der Elsken, feest, 224 Seiten, 188 Schwarzweißabbildungen, 17,5 x 11,5 cm, niederländische und englische Ausgabe, Rijksmuseum Amsterdam.
Zusammengestellt von Mattie Boom und Hans Rooseboom.
ALLE BILDER AUF DIESER SEITE: © Ed van der Elsken

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© Rob Bogaerts / Anefo, via Wikimedia Commons

1925 in Amsterdam geboren, begann sich van der Elsken Ende der 1940er Jahre intensiv mit Fotografie zu beschäftigen. Er veröffentlichte über 20 Bildbände. Nach Stationen in Paris und Amsterdam lebte er ab 1971 bis zu seinem Tod 1990 auf dem Land in der Nähe von Edam. Hier betreute seine Witwe den künstlerischen Nachlass, den sie im letzten Jahr dem Rijksmuseum Amsterdam und dem Nederlands Fotomuseum in Rotterdam übertrug. Allein sein Arbeitsarchiv umfasst rund 11.000 Objekte. Mehr

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