Venice Beach
Venice Beach
Dotan Saguy
20. Juni 2018
Dotan Saguy: Ich habe vor 25 Jahren angefangen zu fotografieren, als meine Frau und ich eine Spiegelreflexkamera zur Hochzeit geschenkt bekommen hatten. Wir dachten, es würde Spaß machen, gemeinsam etwas Kreatives zu lernen. Meine High-Tech-Karriere hat mich eine Zeit lang zu sehr eingespannt, um etwas Ernsthafteres als Urlaubs- und Familienbilder zu schießen. 2005 starb mein Vater im jungen Alter von 63 Jahren an Krebs. Sein plötzlicher Tod ließ das Bedürfnis wachsen, meiner Leidenschaft für Fotografie ernsthaft nachzugehen. Ich begann langsam, mich neu zu orientieren, um mehr Zeit für die Fotografie zu haben. 2015 konnte ich endlich meinen Traum verwirklichen: Ich schrieb mich in einen Fotojournalismus-Kurs an der örtlichen Volkshochschule ein, wurde in einige der renommiertesten Fotojournalismus-Workshops aufgenommen und publizierte für National Geographic und ABC News.
Wie sind Sie auf Venice Beach gekommen?
Ich war auf der Suche nach einem aussagekräftigen Street-Projekt, in das ich mich so richtig verbeißen könnte. Zuerst fotografierte ich in ganz Los Angeles, merkte dann aber schnell, dass es mich eher zum Venice Beach als nach Beverly Hills oder Hollywood zog. Ich ticke da ähnlich wie Henri Cartier-Bresson: In der Street Photography dreht sich alles um Momente und Venice Beach bietet einfach mehr Möglichkeiten, sie festzuhalten als irgendein anderer Ort, den ich in LA kenne. Venice Beach ist ein bisschen wie eine Antithese zu LA: Es ist roh, rebellisch und anti-materialistisch. Wenn man Hunderte Stunden an einem bestimmten Projekt arbeitet, dann muss man auch dafür brennen. Das Leben ist zu kurz für halbe Sachen.
Wie würden Sie die Atmosphäre am Venice Beach beschreiben?
Ich denke, die Bilder in dem Buch fassen meine persönliche Ansicht zu Venice Beach ganz gut zusammen: Dieser Ort ist verrückt, elektrisierend, aufgeschlossen, freigeistig, magisch. Aber ich weiß, dass andere Menschen eine andere Wahrnehmung haben können. Konservative empfinden Venice Beach vielleicht als dreckig, beleidigend und beängstigend.
Wie haben die Leute reagiert, als Sie von Ihrem Projekt erzählt haben?
Es war mir anfangs gar nicht so klar, dass es sich überhaupt um ein Projekt handelt. Ich habe einfach fotografiert, weil es mir Spaß gemacht hat. Als ich später realisierte, dass es zu tatsächlich zu einem großen Projekt geworden war, habe ich begonnen, den Protagonisten zu erzählen, dass daraus ein Buch werden könnte. Aber niemand nahm das ernst! Wahrscheinlich gibt es einige Leute, die so etwas erzählen, und hinterher kommt nichts dabei heraus. Mir machten die skeptischen Reaktionen nichts aus, ganz im Gegenteil – das gab mir nur noch mehr Kraft, es wirklich durchzuziehen.
Welche Ausrüstung haben Sie benutzt?
Ich habe das ganze Projekt mit der Leica M Monochrom und einem 35-mm-Objektiv gemacht. Für Schwarzweiß habe ich mich ganz bewusst entschieden: Es half mir, die Zeitlosigkeit der aufgenommenen Momente hervorzuheben. Einige der Bilder sehen aus, als wären sie in den 1970er- oder 1980er-Jahren aufgenommen worden. Die Wahl der Leica M erlaubte mir Diskretion und ermöglichte eine Vertrautheit mit den Protagonisten, die ich mir mit keiner anderen Kamera vorstellen kann. Wenn ich mich immer an ein einziges Objektiv halte, kann ich meinen Bildrahmen so gut voraussehen, dass ich ihn oft vorfokussiere und abdrücke, ohne überhaupt den Sucher zu benutzen. Dadurch konnte ich die Kamera auf den Boden stellen oder aus schwierigen Winkeln heraus fotografieren. Wenn Sie sich die Bilder im Buch genau anschauen, werden Sie feststellen, dass viele auf genau diese Weise entstanden sind.
Dotan Saguy+-
Dotan Saguy wurde in einem Kibbuz an Israels Grenze zum Libanon geboren. Er wuchs in Paris auf, lebte in New York und zog 2003 nach Los Angeles. 2015 gab er seine Karriere als Hightech-Unternehmer zugunsten seiner lebenslangen Leidenschaft für die Fotografie auf und studierte Fotojournalismus. Seine preisgekrönten Aufnahmen erscheinen in internationalen Magazinen, er unterrichtet Dokumentarfotografie an der Leica Akademie USA und ist Dozent für Street Photography. Sein erstes Buch Venice Beach erschien 2018 und wurde mit dem Deutschen Fotobuchpreis ausgezeichnet. Mehr