Eine Gemeinde im Ausnahmezustand
Eine Gemeinde im Ausnahmezustand
Ciril Jazbec
8. März 2016
$italic:On the Border$ © Ciril Jazbec
Lesen Sie den kompletten Artikel in der LFI 2/2016.
Bisher haben Sie sich vor allem mit traditionellen Gesellschaften beschäftigt, die gezwungen waren, sich mit den Folgen klimatischen oder ökonomischen Wandels auseinderzusetzen. Warum jetzt die Flüchtlinge?
Im vergangenen Jahr verfolgte ich die zunehmende Ausmaße der Tragödie im Mittelmeer, sah die steigende Zahl der Unglücke von Menschen, die auf der Suche nach einem besseren, sichereren Leben waren. Im Herbst veränderte sich dann ihre Route hin zum Balkan. Ich selbst komme aus Slowenien und wurde von den Ereignissen als Bewohner Europas und als Dokumentarfotograf gleichermaßen gepackt, wollte die persönlichen Geschichten dieser Menschen zeigen. Also ging ich nach Serbien, wo ich mich Tausenden von Migranten auf ihrer Reise anschloss. Was ich dort mitbekam, machte mich sehr traurig: die Geschichten vom Krieg, das Leid unschuldiger Kinder, die sich plötzlich in dieser schwierigen Situation zurechtfinden mussten …
Welche Schwierigkeiten traten während der Arbeit an diesem Projekt auf?
Die Sprachbarriere erschwerte häufig die Kommunikation mit den Migranten. Manchmal baten wir jemanden, der Englisch sprach, zu übersetzen: Wir wollten wissen, wer die Menschen sind und was sie dachten. Dass immer mehr Reporter auftauchten, führte dazu, dass die Polizei und sogar die Armee uns den Zugang zu den Flüchtlingen erschwerte. Manchmal mussten wir sehr hartnäckig sein und immer wieder unser Vorhaben, die gegenwärtige Lage von Anfang bis Ende dokumentieren zu wollen, erklären.
Welche Chancen sehen Sie in der fotografischen Berichterstattung über die europäische Flüchtlingskrise?
Ich denke, die Reporter und Fotojournalisten spielen eine große Rolle, weil die Flüchtlingskrise die wichtigste Geschichte unserer Zeit ist. Europa verändert sich und in Hinsicht auf die Migrationsbewegungen ist kein Ende in Sicht. Ich nehme sehr viel Furcht vor den Neuankömmlingen wahr. Furcht, die durch Ignoranz und die Manipulationen extremer Parteien gespeist wird, die behaupten, Flüchtlinge seien gefährlich. Wir müssen uns diesen Menschen nähern und ihnen zuhören, auch wenn das einen Mehraufwand für uns bedeutet. Und wir Fotografen müssen die Krise gewissenhaft dokumentieren und über neue Wege der Berichterstattung nachdenken.
Was ist Ihr nächstes Projekt, wohin geht die Reise?
Voraussichtlich werde ich diese Geschichte in Griechenland fortsetzen. Ich möchte herausfinden, wie es den Migranten ergeht, denen eine Reise nach Nordeuropa durch Einreisekontingente und Grenzschließungen verwehrt bleibt. Ich beginne zudem mit einem neuen, größeren Projekt für National Geographic, das mich in verschiedene afrikanische Länder führen wird. Ich interessiere mich für Afrika als Entwicklungskontinent, der einerseits einer hartnäckigen Stereotypisierung unterliegt und sich gleichzeitig rapide entwickelt.
Ciril Jazbec+-
Jazbec, 1987 in Slowenien geboren, studierte zunächst Management in Ljubljana und anschließend Fotojournalismus und Dokumentarfotografie am London College of Communication. 2011 schloss er mit einem MA ab. 2013 gewann er den Leica Oskar Barnack Newcomer Award für seine Serie Waiting to Move, für die er ein vom Klimawandel betroffenes Dorf in Alaska porträtierte. Im selben Jahr erhielt er eine Auszeichnung bei den Les Rencontres d’Arles für seine Fotostory On Thin Ice, mit der er 2015 auch beim Wettbewerb Magnum 30 under 30 gewann. Seither hat Jazbec immer wieder Preise für seine Arbeiten erhalten. Die erscheinen unter anderem in National Geographic, der New York Times, Geo und der Neuen Zürcher Zeitung. Außerdem ist er Mitbegründer von TENT Film. Mehr
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