Buch des Monats: Out of Place
Buch des Monats: Out of Place
Bas Losekoot
29. März 2021
São Paulo
Umso mehr zeigt sich in den Aufnahmen der Bruch, den die Pandemie in der visuellen Erscheinung der Großstädte hinterlassen hat: „Ich habe die Straße immer als eine Bühne betrachtet, auf der wir, die Schauspieler, im Dekor der Stadt auftreten. Im täglichen Leben führen wir soziale Rollen auf und tragen die dazu passende Maske“, so erläutert der Fotograf seine Serie: „Während wir in der Stadt unterwegs sind, lassen wir diese Maske fallen und ersetzen sie durch eine andere, die Maske des Selbstschutzes.“ Wie gern möchte man sich doch als Betrachter wieder ganz auf diese emotionalen und sozialen Masken konzentrieren können – es wird spannend sein, wie wir in ein paar Jahren diese Motive deuten werden.
Out of Place richtet den Fokus auf zufällig ausgewählte Passanten in Hongkong, Istanbul, Lagos, London, New York, Mexiko-Stadt, Mumbai, São Paulo, Seoul – insgesamt neun Metropolen, in denen Losekoot in den letzten zehn Jahren gearbeitet hat. In der Serie sucht er Bilder für das zwiespältige Gefühl von Fremde mit dem gleichzeitigen Wunsch nach Zusammengehörigkeit, das sich auf den belebten Straßen der Großstädte einstellt. „Durch die Fähigkeit der Fotografie, Bewegung einzufrieren, kann ich Momente des Alltags zeigen, die normalerweise ungesehen bleiben“, so der Fotograf.
Das Setting der Fotografien ist genau geplant, wobei jedes einzelne Bild am Ende aber einen Moment konserviert, der sich zufällig ergeben hat: „Ich beobachte sorgfältig das Verhalten an einem Ort, bevor ich mit dem Fotografieren beginne. Ich kehre oft an denselben Ort zurück“, beschreibt Losekoot sein Vorgehen: „Ich installiere Blitzlichter auf Stativen und auf allem, was ich auf der Straße finden kann, um eine Mischung aus natürlichem und künstlichem Licht zu erzeugen. Dann warte ich, bis Leute ins Bild laufen und fotografiere aus der Hand. Ich mag es nicht, bemerkt zu werden und versuche, mich so unauffällig wie möglich zu verhalten. Ich spreche nie mit den Leuten; ich vermeide Augenkontakt, bevor der Auslöser betätigt wird. Danach nicke und lächle ich den ‚Schauspielern‘ freundlich zu.“
Besonders fallen in der Serie die Nahaufnahmen auf, die die Situation und die Personen extrem dramatisieren und so an Film-Stills erinnern. Diese Idee spiegelt sich auch in dem aufwendig gestalteten Buch wider, das verschiedene Seitenformate strukturieren, sodass sich in den Überlagerungen neue Verbindungen ergeben, die das Leben und die Atmosphäre auf den Straßen symbolisieren sollen. Die filmische Qualität der Serie ergänzen drei Mini-Drehbücher, für die sich der Filmproduzent und Autor Kasper van Beek kurze Szenen zu den Passanten ausgedacht hat. Als Epilog beschließt ein Gespräch mit dem Soziologen und Filmmacher Paul Halliday das Buch, das die Themen Entfremdung und Einsamkeit, Nähe und Mobilität in den Großstädten thematisiert.
Der über eine Crowdfunding-Kampagne finanzierte Bildband ist das Ergebnis einer jahrelangen Produktion, die von der aktuellen Pandemie-Erfahrung überholt wurde. Ein spannendes Projekt, das noch einmal anders über die Tragödien und Komödien, die Schönheit und den Schrecken urbanen Lebens nachdenken lässt.
Bas Losekoot: Out of Place
Mit Texten von Kasper van Beek, Paul Halliday, Hugo Macdonald. Gestaltet von Teun van der Heijden/Heijdens Karwei.
144 Seiten, 59 Farbabbildungen, englisch, 24 x 29 cm
Kehrer
Bas Losekoot+-
...1979 in Amsterdam geboren, hat an der Königlichen Akademie der Schönen Künste in Den Haag einen BA in Fine Art Photography erworben und an der Goldsmiths, University of London einen MA in Photography and Urban Cultures. Neben seiner Tätigkeit als Porträt- und Dokumentarfotograf entwickelt er Langzeitprojekte zu sozio-ökonomischen Themen. Seine Arbeiten wurden bereits in zahlreichen Galerien, Museen und auf Festivals ausgestellt. Out of Place ist sein erster Bildband, in dem er sein Interesse am Kino mit Street Photography verbindet. Mehr
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