Der Maskenball

Angelo Cirrincione

21. Februar 2020

Der Fotograf Angelo Cirrincione spricht über einen sizilianischen Maskenball, bei dem Frauen in grotesken Kostümen ihre Tanzpartner auswählen.
Der Fotograf Angelo Cirrincione spricht über einen sizilianischen Maskenball, bei dem Frauen in grotesken Kostümen ihre Tanzpartner auswählen.

LFI: Wie sind Sie auf den Maskenball aufmerksam geworden?
Angelo Cirrincione: Ich habe mich mit einem Straßenverkäufer über den Karneval unterhalten und er erzählte mir mit einem Lächeln, dass eine alte Tradition der Stadt wieder auflebt: Maskenbälle, bei denen sich nur die Frauen verkleiden und sich für jeden Tanz ihre Partner – die nicht maskiert sind – aussuchen.

Können Sie uns etwas über die Ursprünge dieser Tradition erzählen?
Die etwa 500-jährige Geschichte des Karnevals ist seit dem 16. Jahrhundert sehr gut dokumentiert. Ursprünglich durften sich nur Adelige verkleiden. Sie nutzten das aus und zogen durch die Straßen, um sich über das Volk lustig zu machen – oft sogar mit Peitschen, um unerkannt zuschlagen zu können. Im Jahr 1770 gewährte Cesare Gaetani, Prinz von Lanza, jedermann Zugang zu den Maskenbällen des Theaters S. Caterina während der Eröffnung des Karnevals. Man nimmt an, dass von diesem Zeitpunkt an die Verkleidungen nicht nur Spaß brachten, sondern adligen Frauen auch halfen, ihre Liebesintrigen während des Karnevals zu verbergen.

Welche Atmosphäre herrscht in den Ballsälen?
Ich fand eine groteske Atmosphäre vor, die zeitweise ziemlich düster war – genau so, wie ich es mag. Die Ballsäle waren sehr schön geschmückt: Es gab Girlanden aus farbigem Papier und Dekorationen aus Pappmaché an den Wänden. Am meisten schätze ich aber, dass Frauen und Männer aller Altersgruppen gerne tanzen.

Das hört sich nach einem sehr intimen Ereignis an – wie sind Sie fotografisch vorgegangen?
Sagen wir es so: Mir kam es so vor, als wäre ich in diesen seltsamen Räumlichkeiten der einzige Fremdkörper gewesen. Es traten nur maskierte Frauen ein, während die Männer sich an die Wände lehnten und auf eine Einladung warteten. Schon bald waren die Räume gefüllt, und ich war umgeben von der unglaublichen Synchronie der Tanzenden. Als Teil der Szene wurde ich oft an die Wand gedrückt, zusammen mit den Männern, die nicht tanzten. Manchmal fand ich mich angenehm mitgerissen vom Fluss des Tanzes, der den Raum erfüllte. Die Gäste sahen mich anfangs nur neugierig an, denn niemand hatte sie bisher jemals auf diese Weise fotografiert, um ihre Geschichte der Leidenschaft zu erzählen. Sie hatten wegen meiner Anwesenheit als Fotograf keinerlei Hemmungen, denn Tanzen befreit die Seele – an diesen heiß ersehnten Abenden geht es nur darum, Spaß zu haben.

Interview: Danilo Rößger
Alle Bilder auf dieser Seite: © Angelo Cirrincione
Ausrüstung: Leica M10 mit Elmarit-M 1:2.8/21, Summicron-M 1:2/28 und 1:2/35
ALLE BILDER AUF DIESER SEITE: © Angelo Cirrincione

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© Angelo Cirrincione

Nachdem er 15 Jahre lang als Grafiker gearbeitet hatte, beschloss Cirrincione, sich seiner ersten Liebe, der Fotografie, zu nähern. Der anthropologische Hintergrund, den man beim Fotografieren auf der Straße spürt, ist für ihn unwiderstehlich, denn er fasst in einer Hundertstelsekunde zusammen, was wir sind oder waren. Cirrincione liebt die ironische Seite des Lebens und versucht, sie stets in seiner Fotografie zu finden. Die Fotografie ist für ihn ein Werkzeug, um anzuprangern, aber auch, um wiederzuentdecken, was wir verloren geglaubt haben. Mehr

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