Tod in Caracas

Alejandro Cegarra

7. Dezember 2017

Es ist nie klar, wem man trauen kann: Die Gewalt hat in Venezuela das Leben so durchdrungen, dass man sie schon als normal empfindet. Der Fotograf Alejandro Cegarra hat mit Fear and Loathing eine Serie über ein Land fotografiert, das mit sich selbst im Krieg zu stehen scheint.
„Es passiert jeden Tag – so sicher wie die Sonne über der größten Favela Lateinamerikas in Caracas aufgeht: Eines der wenigen garantierten Dinge, die man in Venezuela finden kann, ist der Tod. Gewalt durchdringt den Alltag. Auf der Straße kollidieren Banden miteinander, mit der Polizei und mit der Armee. Sie alle missbrauchen ihre Macht. Gefangen in diesem Kosmos, kaufen selbst gewöhnliche Bürger Waffen, um sich zu schützen. Jeder von ihnen hat schon einmal einen Verwandten oder einen Freund verloren. Der Tod liegt in Caracas quasi in der Luft. Auf meinem Foto sieht man die Familie eines ehemaligen Polizeibeamten, der gerade in seinem Auto erschossen wurde. Die Hinterbliebenen trauern – in aller Öffentlichkeit. Für mich war das eine schwierige Situation, so einen intimen Moment in einer Menge von lauter Neugierigen zu fotografieren. Ich blieb kurz stehen und machte nur zwei Aufnahmen. Die Leica gab mir die nötige Unauffälligkeit. Ich blieb sozusagen unter dem Radar, ein unschätzbarer Wert in einer Stadt wie Caracas. Meine Serie über die Gewalt heißt Fear and Loathing (Angst und Abscheu). Ich habe sie in Schwarzweiß fotografiert, weil es mir eine andere Art des Sehens verschafft. Vielleicht wirkt es dramatischer. Nachdem ich das Foto gemacht hatte, bin ich zu einer Poolparty von Freunden gegangen. Ich betrat eine entgegengesetzte Welt: Pool und Getränke, Sicherheit und Zufriedenheit. Ehrlich gesagt, habe ich mich dort ein wenig schuldig gefühlt.“

Alejandro Cegarra+-

Alejandro Cegarra wurde 1989 in Caracas, Venezuela, geboren – die Stadt, die er immer noch als seine Heimat bezeichnet. Er studierte Fotografie im Roberto Mata Taller de Fotografia und Publizistik an der Universität Alejandro de Humboldt und arbeitet für Associated Press, die Washington Post und den Stern. Zudem wurden Seine Bilder unter anderem in der New York Times und Time veröffentlicht. 2014 wurde er als Newcomer beim Leica Oskar Barnack Award ausgezeichnet, 2024 erhielt er für sein Langzeitprojekt The two Walls den World Press Photo Long-Term Project Award. Mehr

 

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