Buchtipp: Mein Stalinbau
Buchtipp: Mein Stalinbau
Thorsten Klapsch
3. Dezember 2021
Mit der Wiedervereinigung kehrte jedoch auch der Kapitalismus in die Straße ein. Die neue Devise hieß kaufen, spekulieren, verkaufen. An dieser Stelle beginnt die weniger gute Geschichte der Allee, und zugleich das Buch von Thorsten Klapsch. Er war selbst Bewohner eines „Stalinbaus“, hat die Aufteilung in Eigentumseinheiten miterlebt und dann begonnen, die Straße, die Häuser, die Wohnungen und ihre Mieter zu fotografieren. Seine Serie ist eine Hommage an den Bau, die Kunst, die Menschen und nicht zuletzt an die Stadt Berlin, die sich seit der Wende enorm verändert hat. Schon in vorangegangenen Projekten, einige von ihnen mit einer Leica fotografiert, widmete sich Klapsch Orten oder Gebäuden, die vom Verschwinden bedroht sind, etwa dem Palast der Republik, der nun dem modernen Stadtschloss weichen musste. So ist der Fotograf nicht nur ein Dokumentarist oder ein Zeuge seiner Zeit, sondern gleichsam ein Geschichtenerzähler, der auch die Historie in seinen Bildern aufleben lässt.
Alte Mietverträge, Urkunden, Fotos, Fliesen, Schrankwände, DDR-Interieur und Ost-Utensilien: Sein Blick in die Wohnungen der „Stalinbauten“ macht die Vergangenheit spürbar, ruft längst vergangene Erinnerungen hervor, ist klar, direkt, ungeschönt und auch von Sentimentalität geprägt. Bald, so ahnt man, ist hier nichts mehr wie früher; bald muss vielleicht auch das zusammen alt gewordene Paar auf der Couch oder die junge Frau in der Küche die Karl-Marx-Allee und das ehrenwerte Haus verlassen. Zusammen mit den Texten von Michaela Nowotnick schaut man in diesem Buch hinter die Zuckerbäckerfassade, lernt die Menschen, ihr Leben, ihren Zorn und ihre Hoffnungen kennen. Wie in einem guten Roman werden sie alle zu fesselnden Protagonisten, vereint unter einem Dach.
Thorsten Klapsch (Fotos), Michaela Nowotnick (Text):
Mein Stalinbau. Eine Berliner Straße und die Geschichten ihrer Bewohner.
berlin edition im be.bra Verlag
Thorsten Klapsch+-
Thorsten Klapsch ist Fotograf aus Leidenschaft und seit fast 30 Jahren. Er mag das Verbotene, das Verschlossene, die Welt hinter den Türen. Er hat den leerstehenden und nun abgerissenen Palast der Republik fotografiert, die deutschen Atomkraftwerke und das sich verändernde Berlin in Ost und West. Um seine freien Projekte realisieren zu können, arbeitet er für Magazine und Unternehmen. Mehr