Nachruf: Robert Frank

Robert Frank

11. September 2019

Seine Leica-Fotografien aus den USA der 50er-Jahre zählen zu den wichtigsten Aufnahmen des 20. Jahrhunderts. Bis heute legendär und einflussreich ist sein 1958 erstmals veröffentlichter Bildband „The Americans“. Am 9. September ist der US-amerikanische Fotograf mit 94 Jahren im kanadischen Inverness gestorben.
Es sollen rund 30.000 Fotografien sein, die Robert Frank während seines Trips durch die Vereinigten Staaten anfertigte. Tausend Motive wählte er aus, doch am Ende waren es nur 83 Schwarzweißaufnahmen, die im Buch The Americans landen sollten: eine Mischung aus Tagebuch, Gesellschaftsporträt und fotografischem Roadmovie. Für das damalige Amerika ein Schock: Seine Bilder waren ungeschönt, grobkörnig, teilweise unscharf und mit harten Anschnitten versehen. Das entsprach überhaupt nicht dem Stil der Zeit und doch sollte dieser neue Blick die Ästhetik der Nachkriegsfotografie revolutionieren. Nach der französischen Erstausgabe von 1958 erschien das Buch ein Jahr später auch in den USA.

Seit 1947 lebte der in Zürich geborene Fotograf bereits in New York und war von Alexey Brodovitch für Harper’s Bazaar engagiert worden, doch mit der Modefotografie konnte er kaum etwas anfangen. Als erster europäischer Fotograf erhielt er ab Juni 1955 das Guggenheim-Stipendium und so startete er mit seiner Leica und einem 50er-Ford eine Erkundungsfahrt durch die USA, die ihn durch fast alle Bundesstaaten führen sollte.

Seine Leica ermöglichte ihm eine spontane, oft intuitive Arbeitsweise. Die Aufnahmen wirken rau und scheinen bestens mit der atmosphärischen Grundstimmung der Reise zu korrespondieren. Der Blick bleibt distanziert, die Bilder zeigen die immer gleiche Schonungslosigkeit, gleichgültig in welchem Milieu oder welcher gesellschaftlichen Schicht er sich bewegte. Die porträtierten Personen wirken vereinzelt, einsam, seltsam unbeteiligt, selbst wenn sie in Gruppen gezeigt werden. Neben den Menschen sind es immer wieder Objekte, die Frank interessieren: Briefkästen, Schaufenster, Fahnen oder Kreuze werden zu Stillleben und Stellvertretern einer desillusionierten, depressiven Gesellschaft. So urteilte auch der mit Frank befreundete Schriftsteller aus der Beat Generation, Jack Kerouac, über die von den Bildern ausgehende Stimmung in der Einleitung zur amerikanischen Ausgabe: „Wer diese Bilder gesehen hat, weiß am Ende nicht mehr, was trauriger ist, eine Musikbox oder ein Sarg.“

Auch als Filmemacher wurde Frank stilbildend und gilt als Wegbereiter des Independent-Kinos. Ab den 60er-Jahren produzierte er zahlreiche Filme, später führte er auch bei Musikvideos Regie. Frank lebte in den letzten Jahren sehr zurückgezogen und gab nur noch selten Interviews.

Posthum wird nun die in Zusammenarbeit mit der Fotostiftung Schweiz kuratierte Ausstellung Unseen am 12. September 2019 im C/O Berlin eröffnet (bis zum 30. November). (Ulrich Rüter)

Alle Bilder auf dieser Seite © Robert Frank mit freundlicher Genehmigung von Pace/MacGill
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Dodo portrait
© Dodo Jin Ming

Geboren am 9. November 1924 in Zürich als zweiter Sohn eines aus Frankfurt stammenden jüdischen Geschäftsmanns. Ab 1941 fotografische Ausbildung bei verschiedenen Fotografen. 1945 Schweizer Staatsbürgerschaft, 1947 Übersiedlung in die USA, deren Staatsbürgerschaft er 1963 annimmt. 1972 Wiederaufnahme der Fotografie mit Polaroid-Versuchen. In den folgenden Jahren zahlreiche Auszeichnungen, Publikationen und Ausstellungen. Frank war zweimal verheiratet und hatte zwei Kinder. Am 9. September 2019 ist er in Inverness, Nova Scotia, Kanada, verstorben. Mehr

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