Promises Written On The Ice, Left In The Sun

Kiana Hayeri

24. Oktober 2022

Bei der feierlichen Preisverleihung am 20. Oktober im Foyer des Leica Headquarters Wetzlar wurde die iranisch-kanadische Fotografin Kiana Hayeri mit dem LOBA ausgezeichnet.
Die im Iran geborene und als Teenager nach Kanada ausgewanderte Fotografin hat sich in ihrer mehr als achtjährigen Arbeit in Afghanistan immer wieder mit den Lebensbedingungen von Frauen und Mädchen beschäftigt. Wichtig ist ihr insbesondere, andere Bilder aus dem Alltag zu finden, die zwar die Auswirkungen der jahrzehntelangen Konflikte dokumentieren, darüber hinaus aber das Augenmerk auf die Geschichten, die Kraft und die Würde des einzelnen Menschen lenken. Die bereits vielfach ausgezeichnete Hayeri fotografierte in Gefängnissen, Schulen, hielt Kontakt zu Frauen, die für Meinungsfreiheit und Frauenrechte eintraten, sich gesellschaftlich engagierten. Der Sommer 2021 katapultierte das Land innerhalb weniger Tage zurück in die Zeit vor 20 Jahren, und die Errungenschaften in den Bereichen von Frauen- und Minderheitenrechten, Bildung und Meinungsfreiheit gingen verloren. Hayeris Aufnahmen sind wichtiger denn je und haben nichts von ihrer Bedeutung verloren, auch wenn das mediale Interesse derzeit die Situation in Afghanistan vernachlässigt.

LFI: Was hat sich seit letztem Sommer für Sie persönlich verändert?
Kiana Hayeri: Die größte Veränderung betrifft mein Privatleben, ich habe Freunde, soziale Kontakte und mein tägliches Leben verloren. Auch der Rhythmus unserer Arbeit hat sich verändert. Wir machen nicht mehr so viele Eilmeldungen wie früher. Der Krieg und die Gewalt haben ein Ende gefunden, aber die Beschäftigung mit dem Islamischen Emirat beansprucht unsere Zeit und Energie, und die meisten Menschen haben Angst, ihre Meinung zu sagen. Eine Decke der Unterdrückung erstickt jeden.

Welche Hoffnungen haben Sie für Afghanistan? Oder wie pessimistisch sind Sie, was die Zukunft angeht?
Ich wünschte, ich könnte optimistischer sein, was die Zukunft Afghanistans angeht, aber mit jedem neuen Erlass des Islamischen Emirats ist ein Teil dieser Hoffnung verschwunden. Für die meisten von uns ist es sehr schwierig, sich etwas Positives vorzustellen, das aus diesem Machtwechsel hervorgeht.

Ihre Aufnahmen entstanden zwischen 2018 und 2021. Wurden einige der Bilder bereits veröffentlicht?
Ja, natürlich. Es handelt sich um Fotos, die im Rahmen verschiedener Aufträge für unterschiedliche Publikationen aufgenommen wurden. Aber sie sind nie zusammen als ein kohärentes Werk erschienen.

Welche Bilder aus der LOBA-Serie sind Ihnen besonders wichtig?
Ich denke, wenn man aus einem riesigen Werk, das über vier Jahre hinweg entstanden ist, nur 20 Bilder heraussucht, ist fast jedes Bild etwas Besonderes. Aber für mich hat das Foto von Hafiza einen besonderen und symbolischen Charakter. Für mich stehen Hafiza, eine 70-jährige Mutter, ihre vier Söhne, die auf verschiedenen politischen Seiten zu Feinden wurden, und ihre offene Wunde, die vermutlich durch Trauer verursacht wurde, für das, was Afghanistan in den letzten 40 Jahren durchgemacht hat und wo es heute steht: Es ist ein Land mit offenen Wunden, das um seine Heilung kämpft.

Haben Sie schon darüber nachgedacht, was Sie mit dem Preisgeld machen werden?
Ich plane im Moment, einen Bildband zu gestalten und herauszugeben. Er handelt von meiner Arbeit im Gefängnis von Herat, für die ich letztes Jahr auch die Robert-Capa-Goldmedaille erhalten habe: Es handelt sich um ein Werk, das mir sehr am Herzen liegt und das eine andere Bedeutung bekam, nachdem die Taliban das Land übernommen und meiner Meinung nach die Frauen in ein größeres Gefängnis namens Afghanistan gesteckt hatten. (Interview:Ulrich Rüter)

Alle Bilder der LOBA-Serie und weitere Informationen sind auf der LOBA-Webpage zu finden.
Der LOBA-Katalog 2022 enthält ebenfalls alle Fotos und ein Interview mit der Fotografin. Die Gewinner und alle Shortlist-Kandidaten des LOBA 2022 werden im LFI-Magazin 8/2022 vorgestellt.
ALLE BILDER AUF DIESER SEITE: © Kiana Hayeri

Kiana Hayeri+-

© Aaron Vincent Elkaim
© Aaron Vincent Elkaim

Kiana Hayeri, geboren 1988, wuchs in Teheran, Iran, auf und wanderte als Teenager nach Toronto, Kanada, aus. Im Jahr 2021 erhielt sie die Robert Capa Gold Medal für ihre Fotoserie Where Prison Is a Kind of Freedom, die das Leben afghanischer Frauen im Gefängnis von Herat dokumentiert. Im Jahr 2020 erhielt sie den Tim Hetherington Visionary Award und wurde zum sechsten Empfänger des James Foley Award for Conflict Reporting ernannt. Hayeri ist Senior TED Fellow und arbeitet regelmäßig für die New York Times und National Geographic. Sie lebt in Kabul, Afghanistan. Mehr

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