Proteste in Santiago

Alessandro Cinque

10. Dezember 2019

Alessandro Cinque war mit seiner Leica dabei, als breite Teile der chilenischen Bevölkerung für Verfassungs- und Wirtschaftsreformen auf die Straße gingen.
Alessandro Cinque war mit seiner Leica dabei, als breite Teile der chilenischen Bevölkerung für Verfassungs- und Wirtschaftsreformen auf die Straße gingen.

„Ich habe dieses Foto am ersten Freitag der Proteste in Santiago de Chile gemacht. Sie begannen am 7. Oktober, als Studenten die Metro der Hauptstadt bestiegen, ohne Tickets zu lösen, um gegen stetig steigende Tarife zu demonstrieren. Das war der kleine Auslöser, der auf breiter Front Forderungen für soziale Verbesserungen nach sich zog. Die Proteste richten sich gegen soziale Ungerechtigkeit, den Mangel an Ressourcen im Bildungs- und Gesundheitssystem und die Politik der Regierung Piñera. Auch eine egalitärere Verfassung wird gefordert.

Als ich am Dienstag zuvor ankam, hatte ich keine Ahnung, wie groß die Proteste am Freitag werden würden. An diesem Tag schlossen sich den demonstrierenden Studenten und Arbeitern auch Angehörige der Mittelschicht an, sodass die Menge an Protestierenden riesig wurde. Auf den Straßen herrschten bürgerkriegsähnliche Zustände, in denen die Polizei sich gegen die Bevölkerung stellte. Die Polizei ging gewaltsam vor und befolgte die Befehle des Carabineri-Generals Enrique Bassaletti, der die Demonstranten mit einem Krebsgeschwür verglichen hatte, das vernichtet werden muss.

Nachdem ich einen Tag lang an vorderster Front fotografiert hatte, zusammen mit meinem Freund Fabio Bucciarelli, war ich auf der Plaza Italia, auf der sich die Demonstranten nachts zusammenfanden. Ich wollte ein anderes Foto machen als alle anderen, die ich zuvor gesehen hatte. Ich wollte die Bedeutung des Platzes für die Menschen herauskristallisieren, die ihn erobert hatten und als Symbol des Widerstands nutzten. Die grünen Laser, mit denen die Demonstranten die Polizei blendeten, standen im Kontrast zu den roten Lichtern und dem Himmel während der blauen Stunde – ich drückte den Auslöser.“

Text und Bild: © Alessandro Cinque
Ausrüstung: Leica M10 mit Summicron-M 1:2/35 Asph

Alessandro Cinque+-

© Federico A. Cutuli
© Federico A. Cutuli

Soziale und ökologische Probleme stehen im Vordergrund von Cinques Arbeiten. 2017 dokumentierte er den Goldabbau im Senegal und den Warenschmuggel an der Grenze zwischen Irak und Iran. Während des Studiums am ICP in New York porträtierte er 2019 die italoamerikanische Gemeinde in Williamsburg und fotografierte die verlassenen Uranminen in den Navajo-Gebieten von Arizona. Mehr

 

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