Buchtipp: Fuge

Rebekka Stange

1. April 2021

Mit ihrem Buch "Fuge" bezieht sich die Künstlerin Rebekka Stange auf ein Prinzip musikalischer Komposition. Aus ihrem Archiv hat sie Fotos zusammengestellt, die Stille und Ruhe ausstrahlen.
Zur Inspiration und Dokumentation arbeitet die Künstlerin Rebekka Stange viel mit dem Medium Fotografie. Für den Bilderzyklus Fuge, als Buch erschienen bei 89books, hat sie Bilder von Orten ausgesucht, die sie animierten, dort zu fotografieren. Im Titel klingt das Kompositionsprinzip der Mehrstimmigkeit an, bei dem verschiedene Stimmen zeitlich versetzt wiederholt werden.

LFI: Sie arbeiten künstlerisch auf mehreren Ebenen, haben bereits Kostüme für Film- und Opernproduktionen entworfen und Teppiche designt. Was bedeutet Fotografie für Sie?
Rebekka Stange: Das Medium Fotografie habe ich sehr früh während meines Studiums der Kostümgestaltung an der Universität der Künste in Berlin für mich entdeckt. Kostüme entwickeln, an Menschen den richtigen Schnitt finden, den Körper hüllen und im Foto festhalten, um mir später in Ruhe alles vor Augen zu führen. All diese Annäherungen und Betrachtungen sind mir durch das Medium der Fotografie besser zugänglich geworden. In Fuge beschäftige ich mich auf poetische Weise mit meiner Wahrnehmung durch die Fotografie. Die Fotografie ist für mich eine beruhigende Arbeit, die sich dem Leben annähert. Die ausgewählten Bilder aus den letzten zehn Jahre erzählen von Orten, die mich dazu angeregt haben, Fotos zu machen. Orte, die mich fasziniert haben, die der Realität nah und fern sind. Momente im Jetzt sind die Aktion der Fotografie und später die Erinnerung und der Gedanke an die Vergangenheit und die damit verbundene Frage nach Raum und Zeit.

Was hat es mit dem Titel Ihres Buchs auf sich?
Der Titel Fuge bezeichnet ein musikalisches Kompositionsprinzip polyphoner Mehrstimmigkeit, bei dem verschiedenen Stimmen zeitlich versetzt wiederholt werden und jeweils auf unterschiedlichen Tonhöhen einsetzen. Die Wiederholung ist für mich eine wichtige Betrachtung meiner Arbeit, da ich unterbewusst und intuitiv immer wieder ähnliche Motive festzuhalten versuche. In meinen Bildern möchte ich nicht nur das Gesehene zu zeigen. Wenn ein Bild einen Geruch, ein Geräusch und eine bestimmte Stimmung wiedergeben kann, bin ich sehr zufrieden. Musik ist für mich eine der höchsten Ausdrucksformen und ich fand den Gedanken spannend meine Bilder als Fuge zu sehen.

Wo sind die Bilder für das Buch entstanden?
Meine Bilder sind an vielen unterschiedlichen Orten entstanden. Manche spontan und manche ganz bewusst. In Kenia etwa war ich 2013 für knapp zwei Monate zur Recherche meiner Diplomarbeit. Die Modefotografin Vivian Sassen hatte mir einige Anlaufpunkte und Kontakte gegeben, um mich als allein reisende Frau zu Beginn meiner Reise gut zu vernetzen. In Kenia habe ich mich auf die Suche nach dem aktuellen Kleiderstil gemacht und mich mit soziologischen Texten zu Menschen und Mode beschäftigt. Nach meinem Aufenthalt in Kenia habe ich mich mit dem Kult von Fotostudios in Mombasa nach der Kolonialisierung beschäftigt und in Berlin ein Fotostudio aufgebaut, welches mich an Kenia erinnert hat, und dort unterschiedliche Modelle fotografiert. Licht und Farbe gehören zu einem wichtigen Teil meiner Arbeit als Fotografin. Sowie die Komposition von Natur, Modell und Gegenstand.

Sie haben das Buch selbst gestaltet, man muss es drehen, um die Bilder richtig betrachten zu können. Was hat es mit den Bildtiteln auf sich?
Stange: Dass man das Buch drehen muss, war für mich früh klar und eine bewusste Entscheidung.
Ich mag es, wenn Betrachtung durch eine Bewegung gelenkt wird. Und somit fand ich die Idee schön, dass man mit dem Buch erst mal eine angenehme Körperstellung finden muss, um es in Ruhe anzusehen.
Das von Hand geschriebene Wort zu jedem Bild orientiert sich eng an dem Titel Fuge. Handschrift kann sehr musikalisch wirken. Mit Rhythmus und Klang. Das war mir dabei wichtig. Ich fand es spannend, dass durch ein einziges Wort, das ich individuell jedem Bild zugeteilt habe, ein Bild jedes Mal eine neue Bedeutung bekommen hat. Dabei war mir wichtig, dass das Wort auf der weißen Blankoseite am Ende nicht über dem Bild steht und sich eher in das Bild einfügt und im besten Fall damit verschmilzt und eins wird. Jetzt empfinde ich es manchmal als fehlend, wenn ich ein Foto aus dem Buch ohne das Wort sehe.

Was möchten Sie den Betrachtern Ihrer Bilder mitgeben, wie wünschen Sie, dass Ihre Bilder wahrgenommen werden sollen?
Stange: Ich würde mich freuen, wenn alle, die sich mein Buch ansehen, Ruhe und Gelassenheit spüren. Die Entschleunigung spielt in all meinen Arbeiten eine wichtige Rolle. Das ist auch ein entscheidender Punkt, warum ich fast ausschließlich mit analoger Fotografie arbeite. Es liegt vor allem am Korn und an den Farben eines Films. Dazukommt die Vorfreude und Spannung, die die analoge Fotografie in mir auslöst. Die analoge Fotografie ist wie etwas von Hand Geschriebenes.

Rebekka Stange: Fuge
46 Abbildungen, deutsch/englisch, 30 x 25 cm
89books
Carla Susanne Erdmann
ALLE BILDER AUF DIESER SEITE: © Rebekka Stange

Rebekka Stange+-

Rebekka Stange (c) Philipp Ottendörfer
© Philipp Ottendörfer

Geboren 1984 in Wuppertal. 2013 schloss sie ihr Studium der Kostümgestaltung an der Universität der Künste in Berlin bei Prof. Florence von Gerkan mit Auszeichnung ab. Für Recherchen reiste sie 2012 nach Kenia, wo die Modefotografin Vivian Sassen ihr Anlaufpunkte und Kontakte vermittelte. Die Kamera dient für sie unter anderem zur Dokumentation der Beziehung zwischen Mensch und Mode. 2019 veröffentlichte sie ihr Fotobuch Fuge im 89books Verlag in Palermo, Italien. Mehr

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