Das Will McBride Archive

12. März 2021

Den Nachlass des Fotografen Will McBride (1931–2015) betreut sein Sohn Shawn in einem Gutshaus in Mecklenburg-Vorpommern.
Ein Leben mit vielen Stationen: Will McBride kam als GI Anfang der 1950er-Jahre nach Deutschland, wurde hier zu einem erfolgreichen Magazin- und Werbefotografen, bereiste die ganze Welt, hatte sein Studio in München, später in Frankfurt, lebte in Italien und dann bis zu seinem Tod in Berlin. Der Nachlass hat seinen Platz in einem kleinen Dorf in Mecklenburg-Vorpommern gefunden: Seit 2016 lebt der älteste Sohn des Fotografen, Shawn McBride, mit seiner Familie im Gutshaus Bristow in der Gemeinde Schorssow. Sein Ziel ist es – neben der aufwendigen Renovierung des Anwesens – das Archiv seines Vaters nicht nur aufzuarbeiten, sondern es auch in der Zukunft in Ausstellungen sichtbar werden zu lassen. Eine riesige Aufgabe, denn es gilt nicht nur etwa 350.000 Negative und ebenso viele Diapositive zu sichten, sondern auch die vielen Abzüge konservatorisch zu sichern sowie die Korrespondenz und Schriften aus sechs Jahrzehnten zu archivieren. Wir sprachen mit Shawn McBride über seine Arbeit und seine Pläne.

LFI: In welchem Zustand war das Archiv, als sie es gemeinsam mit Ihren Brüdern übernommen haben und was sind die wichtigsten Aufgaben?
Shawn McBride: Noch am Todestag, am 29. Januar 2015, wurde das gesamte Archiv auf einen Kleinlaster geladen und an einen sicheren Ort verbracht. Nach drei Jahren hatten wir dann die Übersicht über alle relevanten Fragen und konnten uns vertraglich einigen – soweit das unter drei Brüdern möglich ist. Kooperationen und Verträge der Vergangenheit mussten durchleuchtet, das Material gesichtet werden. Ebenso wurden neue Kooperationen begonnen, Ausstellungen fanden statt, es wurden Bücher publiziert, die Fragen der Bildnutzung und Rechte geklärt. Das alles hat sich seither kontinuierlich weiterentwickelt.

Will McBride hat sich immer als bildender Künstler verstanden; er hat gezeichnet, gemalt, Skulpturen geschaffen. Mit der Fotografie war er allerdings am erfolgreichsten. Kümmern Sie sich um das gesamte künstlerische Werk Ihres Vaters?
„Der ganze Mensch“ – so hat er sein Werk immer begriffen. Ich konzentriere mich auf den Bereich Fotografie. Er hat mich kurz vor seinem Tod, bei der Eröffnung seiner großen Ausstellung im C/O Berlin vor laufender Kamera gefragt: „Was hältst du von meiner Malerei?“ und ich habe geantwortet: „Ich werde nicht ihr Fürsprecher sein“ – aber man weiß es eben nie.

Hat sich Ihr Blick auf den Vater im Laufe der Aufarbeitung des Nachlasses verändert? Gab es Entdeckungen?
Unser Gespräch war selten vertieft und komplex – er ist dem konsequent aus dem Weg gegangen. Um so überraschter war ich von seinen, von einer hohen Geistesbildung getragenen Gedankengängen, die ich in Tagebüchern, Briefen und vor allem auch in den Randnotizen der Bücher fand. Ich begriff, sein Nachlass ist nun dieses verspätete Gespräch mit ihm – dafür hatte er Sorge getragen.

Fotografieren Sie auch selbst?
Ich selbst habe die Kamera als Vermittlerin eigener Betrachtung, Überzeugungen oder gar Gefühle selten in die Hand genommen. Das liegt sicherlich an der familiären Erfahrung der umfassenden Unterordnung aller Beteiligten unter den Schöpfungsdrang einer komplexen Persönlichkeit, die vor allen in Bildern dachte.

Was ist Ihr größter Wunsch für die Zukunft des Archivs?
Kurz gesagt: dass es der Nachwelt dient und auch seinen Nachkommen von Vorteil ist.

Mit einer Werkauswahl präsentiert die LFI 2/2021 Will McBride als Leica Klassiker. Weitere Informationen auf der offiziellen Webseite.
Ulrich Rüter
Alle Bilder auf dieser Seite: © Shawn McBride / Will McBride Archive
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