Buch des Monats – Fleckhaus: Design, Revolte, Regenbogen

4. Mai 2017

Magazine brauchen Fotografien. Doch wie die Geschichten dann aussehen, entscheiden selten die Fotografen, sondern Redakteure, Graphiker und Gestalter. Am Beispiel der deutschen Zeitschrift Twen wird deutlich, wie stark das Bildmaterial in Kombination mit einer innovativen graphischen Gestaltung stilbildend werden kann.
Magazine brauchen Fotografien. Doch wie die Geschichten dann in den Heften aussehen und wirken, entscheiden selten die Fotografen selbst, sondern Redakteure, Graphiker und Gestalter. Besonders am Beispiel der deutschen Zeitschrift Twen, die zwischen 1959 und 1970 erschien, wird deutlich, wie stark das Bildmaterial in Kombination mit einer innovativen graphischen Gestaltung stilbildend werden kann.

Damals in ihrer Radikalität und vor allem auch durch die präsentierten Themen äußerst umstritten, gilt Twen durch die großzügige Gestaltung, moderne Typografie und vor allem durch großartige Fotografien heute längst als Vorbild innovativen Magazin-Designs. Ohne den legendären Twen-Gestalter Willy Fleckhaus (1925–1983) wäre das kaum möglich gewesen. Dass sich nun eine Ausstellung mit begleitender Publikation mit seinem Werk und seiner Wirkung beschäftigt, erscheint überfällig.

Wie kein anderer hat Fleckhaus die visuelle Kultur der 1960er- bis 80er-Jahre in Deutschland geprägt. Über 30 Jahre nach Fleckhaus’ Tod hat der Münchner Sammler, Autor, Kurator und Fotografieexperte Hans Michael Koetzle zusammen mit Carsten Wolff in dem von Michael Buhrs und Petra Hesse herausgegebenen Band Fleckhaus Design, Revolte, Regenbogen eine umfassende Würdigung des Lebenswerkes unternommen.

Das Buch ist eine Zeitreise in die bundesdeutsche Verlagswelt und zeigt vielteilig und kenntnisreich die besondere Rolle des Gestalters Fleckhaus auf, der auf diversen Gebieten der visuellen Kommunikation tätig war. Als er seine Karriere startete wurden Zeitschriften in Deutschland noch von „Einrichtern“ oder „Umbruchredakteuren“ betreut, die im Impressum meist ganz am Ende auftauchten. Geschult an großen amerikanischen Vorbildern wie Alexei Brodowitsch, Alexei Brodovitch oder Alexander Liberman, war Fleckhaus wesentlich an der wachsenden Bedeutung der Graphik für Magazine beteiligt. Als er starb, war der „Artdirector“ zum festen Bestandteil vieler Magazine geworden – und eher in den oberen Rängen des Impressums zu finden.

Anschaulich belegt der Bildband wie wichtig Fleckhaus eine visuelle Grammatik war, die Typografie und Text, Fotografie und Illustration, aber auch den Weißraum einer Seite zugunsten eines suggestiven Gesamteindrucks zusammenfügte. Dass nicht alle Fotografen seinen Umgang mit ihren Bildern schätzen, ist nicht verwunderlich. Andere Fotografen wie Will McBride, Horst Baumann, Charlotte March, Ulrich Mack oder Christa Peters waren aufgeschlossener und profitierten von dem Ansatz, den Fleckhaus konsequent umsetzte: „Was uns vorschwebt“, so Fleckhaus, „ist die Identität von Fotografie und Papier. Bei Twen soll man nicht darüber nachdenken, ob hier Fotos gedruckt werden, sondern das Heft als Fotografie begreifen.“ Fleckhaus war für viele Fotografen ein Türöffner und die Zusammenarbeit mit ihm war nicht selten für den internationalen Durchbruch äußerst hilfreich.

Doch Fleckhaus war nicht nur Magazin-Gestalter, sondern hat auch Buchreihen, Bildbände, Signets und Plakate entworfen. Die berühmten Regenbogen-Cover machen die edition Suhrkamp bis heute zu einer unverwechselbaren Taschenbuchreihe. Und so fächert der Bildband auch hier an zahllosen Originallayouts die gestalterische Bandbreite und die mutige Weitsicht auf, die den Willi Fleckhaus bis heute als legendäres Design-Vorbild erscheinen lässt.
Ulrich Rüter

Fleckhaus
Design, Revolte, Regenbogen
Herausgegeben von Michael Buhrs, Petra Hesse
Autoren: Hans-Michael Koetzle und Carsten Wolff
240 Seiten, ca. 660 Abbildungen
Deutsch/Englisch, 22 × 27,8 cm
Hartmann Books

Die Ausstellung Willy Fleckhaus. Design, Revolte, Regenbogen wird vom 1. Juni bis zum 10. September 2017 in der Villa Stuck, München, präsentiert.
www.villastuck.de
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