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Vasco Trancoso

20. März 2020

Der portugiesische Fotograf Vasco Trancoso war mit seiner Leica Q in den Jahren 2016 bis 2019 fast täglich auf Straßen, Plätzen oder Stränden unterwegs: vor allem in seiner Heimatstadt Caldas da Rainha, darüber hinaus entstanden die 99 Motive auch in Foz do Arelho, in Lissabon und Óbidos. Eine Entdeckung.
Welch ein Glück, dass in Portugal die Sonne so intensiv scheint, die Farben deshalb umso mehr leuchten und die Schatten umso tiefer sein können. Kein Wunder, dass dieses Licht immer wieder Fotografen zu kontrastreichen Kompositionen angeregt hat. Doch was oft zum Klischee gerinnt – darauf weist David Gibson in seinem begleitenden Text zu Recht hin – ist bei Vasco Trancoso „das Rückgrat, wie eine Gruppe von Noten, die zusammen eine Hintergrundmelodie spielen.“ Gibson ist nicht nur selbst ein renommierter Fotograf, sondern auch Mitbegründer des Kollektivs in-Public, das sich insbesondere der Street Photography widmete.

Mit seinem prächtigen Buch stellt sich Trancoso nun als überzeugender und aktueller Vertreter der Street Photography vor. Sein Stil ist unverkennbar. Dabei hat er sich noch nicht lange ganz der Fotografie verschrieben, erst nach seiner Pensionierung als Gastroenterologe entdeckte er Ende 2014 seine Leidenschaft für die Fotografie noch einmal ganz neu. So bekannte er in einem Interview: „Ich bin fasziniert von der Unvorhersehbarkeit der Street Photography, vergleichbar dem Jazz oder dem Leben, und jetzt habe ich einen Tagesablauf, in dem ich für mich selbst und zum Vergnügen fotografiere. Eine gesunde und rettende Obsession.“

Der Fotograf ist seitdem vor allem auf den Straßen seiner Heimatstadt Caldas da Rainha unterwegs. Er kennt die Stadt sehr genau, hier lebt er schließlich seit fast 40 Jahren und dennoch gibt es auf seinen täglichen Foto-Exkursionen immer wieder neue Momente zu entdecken. Seit 2015 hat er seine visuelle Sprache noch einmal modifiziert: Er entschied sich für Farbe. Doch Schwarz blieb ihm als entscheidender Gegensatz zu den leuchtenden Farben wichtig: „In meiner Interpretation des Straßenkarnevals ist die Farbe der eigentliche Protagonist – wobei ich eine rein illustrative Rolle vermeide. In der Geometrie der Farbblöcke möchte ich Kompositionen mit dunklen Silhouetten und tiefen Schatten verstärken und das Bild in ein fast abstraktes ‚Patchwork‘ verwandeln – eine Aufwertung der Komposition über die reine Beschreibung hinaus. Schatten und Silhouetten können fast wie ein ‚negativer Raum‘ für Farbe wirken“, so Trancoso in einem Interview auf dem LFI-Blog.

Die Bemerkung, dass die Königin aller Farben schwarz ist, wird dem französischen Maler des Impressionismus Pierre-August Renoir zugeschrieben. Der Fotograf Trancoso bezieht sich gern auf diese Feststellung, denn ohne das präzise eingesetzte, satte Schwarz, würde die Vielzahl der Farben nur bunt erscheinen, erst im Zusammenspiel ergeben sich die kunstvoll aufgeladenen Motive des Fotografen. Dabei hilft ihm nicht zuletzt seine Leica Q, die er seit 2016 ausschließlich benutzt. Die perfekte Gestaltung von Fläche, Raum und Linien, gepaart mit dem unverwechselbaren Gespür für Farbe, Licht und Schatten ist jetzt in 99 Arbeiten zu begutachten. 

Vasco Trancoso: 99
144 Seiten, 99 Farbabbildungen, englisch/portugiesisch, 24,5 x 30,5 cm.
Mit Texten von David Gibson und Paulo Abrantes.
Das Buch ist über den Fotografen zu beziehen: vasco.trancoso@gmail.com
Ulrich Rüter
ALLE BILDER AUF DIESER SEITE: © Vasco Trancoso

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© Vasco Trancoso

Vasco Trancoso wurde 1944 in Lissabon geboren und lebt seit 1983 in Caldas da Rainha, Portugal. Der Gastroenterologe widmet sich seit der Pensionierung wieder seinem alten Hobby Fotografie. „Auf den Straßen kann ich mich glücklich schätzen, alltägliche Wunder zu entdecken, die sich als Fragmente einer parallelen Dimension erweisen, in der das Banale außergewöhnlich sein kann.“ Mehr

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