Buchtipp: Berlin, Mai 1945
Buchtipp: Berlin, Mai 1945
Valery Faminsky
2. Juni 2020
Berlin, Mai 1945 (Wallstraße, Blick auf den Spittelmarkt)
Faminsky war von 1943 bis 1945 als Frontberichterstatter für die Rote Armee im Einsatz. Seine eigentliche Aufgabe bestand in der fotografischen Dokumentation der medizinischen Versorgung und der Transporte verwundeter Soldaten. Mit dieser Legitimation ausgestattet, konnte er sich in Berlin frei bewegen und setzte sich über das Verbot hinweg, die Zivilbevölkerung, Not und Zerstörungen zu fotografieren. Am 22. Mai 1945 kehrte Faminsky mit seinen belichteten Filmen nach Moskau zurück und ordnete die knapp 500 Negative und Kontaktbilder. Er bewahrte sie bis zu seinem Tod im Jahr 1993 in seiner Wohnung auf. Veröffentlicht wurden sie nie und es war ein Zufall, dass der in Moskau lebende ukrainische Fotojournalist Arthur Bondar das von den Erben im Internet angebotene Archiv 2017 sichtete und erwarb. Er erkannte sofort die Bedeutung dieses Konvoluts, machte es der russischen und kurze Zeit später auch der deutschen Öffentlichkeit zugänglich.
Als Fotograf der Roten Armee arbeitete Faminsky zunächst mit einer Kiew-Kamera und russischem Filmmaterial. Ab Februar 1945 fotografierte er dann mit einer Leica und Agfa-Film. Eines der ersten erhaltenen Motive zeigt das Fachgeschäft Foto-Staude in der schlesischen Stadt Bunzlau (heute Boleslawiec). Die Recherchen der Herausgeber des Bildbands lassen es als wahrscheinlich gelten, dass Faminsky hier seine Leica erhielt. Fortan fotografierte er nicht nur seine offiziellen militärmedizinischen Aufnahmen, die bis heute in Moskau lagern, sondern auch Szenen, die er nicht an seine Dienststelle abgab, sondern bei sich bewahrte. Mit der Leica war Faminsky beweglicher, konnte während der Eroberung Berlins ab dem 16. April 1945, aber vor allem nach der Kapitulation das Geschehen auf den Straßen Berlins ganz unmittelbar festhalten. Die Evakuierung von Verletzten, Berliner Jugendliche bei der Verteilung von Flugblättern, Paraden, posierende russische Offiziere, einen russischen Ruinenmaler, um Nahrung anstehende Berliner: Das Archiv ist vielschichtig, denn Faminsky fotografierte den Alltag in zivilen Zeiten. Das macht seine Aufnahmen so besonders, zeigen sie doch nicht nur Geschichte in größter Unmittelbarkeit, sondern lassen auch die Motivation und den humanistischen Blick des Fotografen erkennen. (Ulrich Rüter)
Valery Faminsky: Berlin Mai 1945.
Herausgeber: Thomas Gust, Ana Druga, Arthur Bondar, Joseph Dilworth. 184 Seiten, 114 Schwarzweißabbildungen, 26 x 22 cm, deutsch, englisch.
Verlag Buchkunst Berlin, 2018 (2. Auflage 2020)
Das Buch kann hier bestellt werden.
Bis zum 20. Juni werden die Arbeiten Faminskys noch im Forum für Fotografie in Köln ausgestellt.
Valery Faminsky+-
Valery Faminsky wurde am 15. Mai 1914 in Moskau geboren. Ausbildung zum Fotografen. Aufgrund einer Sehschwäche zunächst vom Armeeeinsatz befreit. 1943 Aufnahme in die Rote Armee, Fotograf für das Militärmedizinische Museum der Roten Armee, es entstehen Aufnahmen an sieben Fronten. Ab April 1945 in Berlin. Am 26. Mai 1945 Rückkehr nach Moskau. Faminsky starb am 8. September 1993 in Moskau. Mehr
Berlin, Mai 1945 (Wallstraße, Blick auf den Spittelmarkt)
Einlieferung eines Verletzten an der Evakuierungsstelle mit Hunden. In der Nähe der Seelöwer Höhen, April 1945
Mai 1945 (Blick in die Falckensteinstraße)
In der Nähe des Reichstagsgebäudes, Mai 1945
Berlin, 20. Mai 1945
Mai 1945 (Miquelstraße, heute Zachertstraße)
Verteilung von Flugblättern mit dem Text der Kapitulation in Berlin am 8. Mai 1945
Kitaiko, ein Maler aus dem Grekow-Studio, Mai 1945