Der Carlsberg

„Tasiilaq hat 2.000 Einwohner und ist der größte Ort Ostgrönlands - einem extrem dünn besiedelten Gebiet. Zweimal in der Woche kommt eine Propellermaschine aus Reykjavik und landet auf einer Piste im Eis, von dort fliegt man noch einmal zwanzig Minuten mit dem Hubschrauber. Anders ist Tasiilaq praktisch nicht zu erreichen.

Wir waren im April 2013 dort, um eine Reportage über die Bevölkerung, Alkoholismus und fehlende Beschäftigungsmöglichkeiten in der Region zu machen. Teil des Projektes war das Portrait des Südtiroler Extrembergsteigers Robert Peroni, der in Tasiilaq lebt und eine eigene Herberge betreibt. Mit dem Projekt versucht er, einigen Dorfbewohnern eine Perspektive zu bieten, was sich auch nach vielen Jahren immer noch als problematisch erweist. Denn die Inuit haben einen völlig anderen Blick auf das Leben und vor allem auf die Zeit; für "Zukunft" gibt es in der Sprache Ostgrönlands nicht mal ein Wort.

Regelmäßig kollidieren die Ansprüche westeuropäischer Urlauber mit dieser Lebensart. Und so haben auch wir die meiste Zeit mit Warten verbracht: warten auf die wenigen Termine, die es geben sollte, warten auf klares Wetter, warten auf eine warme Mahlzeit, warten auf das Nordlicht. Während dieser Zeit sind wir viel herumgelaufen und irgendwann außerhalb der Ortschaft auf die Mülldeponie gestoßen.

Der Fjord, an dem Tasiilaq liegt, ist nur wenige Wochen im Jahr eisfrei, und Versorgungsschiffe können nur während dieser Zeit den Hafen anlaufen. Auch der Abfall kann nur im Sommer abtransportiert werden. Und so entsteht im Laufe eines jeden Jahres am Rande Tasiilaqs ein Müllberg, in dem das Grün dänischer Biermarken dominiert. Wir nannten ihn den ‚Carlsberg‘.“