Truth is stranger than fiction

Shin Noguchi

5. März 2021

Der japanische Künstler Shin Noguchi fängt die Realität so ein, wie er sie sieht – in bunten, schönen, ganz alltäglichen Augenblicken. Seine Betrachterinnen und Betrachter sollen verstehen, dass sich diese außergewöhnlichen Momente überall und zu jeder Zeit passieren können und dass sie manchmal schöner sind als sorgfältig choreografierte Filme.
LFI: Es heißt, dass das Leben die besten Geschichten schreibe …
Shin Noguchi: Ich glaube, das stimmt. Es gibt so viele Erzählungen, wie es Menschen gibt. Und es gibt keine thematische Begrenzung oder ein Limit für die Anzahl der unvorhersehbaren Geschichten, die immer wieder aufgezeichnet werden.

Wo finden Sie Ihre Geschichten?
Durch den Kontakt zwischen meinem Leben und dem Leben anderer. Deshalb gehe ich bei einem Projekt nie nach einem bestimmten Schema vor. Die Thematik wird erst sichtbar, wenn ich nach einer gewissen Zeit über den Grund nachdenke, auf den Auslöser zu drücken, um weiter zu fotografieren.

Entstehen Ihre Motive zufällig?
Ich höre einfach auf die Stimmung in unserer Gesellschaft. Das Leben ist voll von Zwischenmenschlichkeit – manchmal sehr traurig, manchmal voller Irrsinn. Die Motive erzählen vom Sinn und Wert des Lebens. Ein Bild zu machen bedeutet, die menschliche Existenz zu bejahen – somit bietet sich auch die Gelegenheit, meine eigene Existenz so zu akzeptieren, wie sie ist.

Inwieweit ist Ihre Fotografie mit Ihrem Heimatland Japan verbunden?
Die meisten Bilder sind in Japan entstanden, vor allem in Kamakura und Tokio. In diesen Orten lebe ich. Kamakura, eher beschaulich, ist eine Stadt, in der es viele Tempel gibt, einen wunderschönen Strand und Berge, die es umschließen. Und es gibt viele gute und freundliche Menschen, natürlich auch Alte und Kinder. In Tokio gibt es unzählige Menschen und Autos, es ist die geschäftigste Stadt Japans. Durch diese wechselnde Umgebung kann ich immer frei zwischen klassischen und modernen Perspektiven hin und her springen. Natürlich denke ich, dass das Einfangen außergewöhnlicher Elemente wichtig ist, um den Leser in das Medium der Fotografie zu ziehen, aber meine früheren Erfahrungen auf Reisen haben mir eine Vogelperspektive auf die nationale Identität gegeben. Und das hat mich dazu gebracht, die „konstanten und unveränderlichen Elemente“ mit besonderem Respekt zu behandeln, im Gegensatz zu den „mitreißenden Elementen“.
Katja Hübner
ALLE BILDER AUF DIESER SEITE: © Shin Noguchi
EQUIPMENT: Leica MP (analog) und Leica M9-P mit Summicron-M 1:2/35 Asph

LFI 2.2021+-

Weitere Bilder von Shin Noguchi finden Sie im LFI Magazin 2/2021. Mehr

Shin Noguchi+-

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© Shin Noguchi

Noguchi wurde 1976 in Shinjuku, Tokio, geboren. Er widmet sich der japanischen Kultur, deren Komplexität er auf seinen Bildern diskret, poetisch und rätselhaft einfängt. Einzelausstellungen führten ihn unter anderem nach Russland, Frankreich und China. Seine Arbeiten wurden mehrfach in The Guardian, The Independent, Die Zeit und Libération veröffentlicht. Im Jahr 2020 erschien sein Buch In Color In Japan. Mehr

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