One Two Three
One Two Three
Shin Noguchi
3. Januar 2019
Shin Noguchi: Nein, aber sie haben die Fotografie dennoch geliebt: Mein Vater hat Landschaften fotografiert, während er die Welt als Berater in Sachen Technology und Sales bereiste. Meine Mutter indes liebte es einfach, den Alltag festzuhalten. Sie mochte schon immer alle Formen der Kunst wie Musik, Tanz oder Malerei und wollte die Inspirationen, die sie dadurch erhielt, mit ihrer Kompaktkamera konservieren.
Wie kamen Sie zur Fotografie? Haben Sie fotografische Vorbilder?
Ich habe nie eine Schule oder Kurse besucht, ich möchte lediglich das Alltagsleben von mir, meinen Freunden und meiner Familie festhalten – und das bereits seit meiner Schulzeit. Mittlerweile versuche ich auch Objekte zu fotografieren, die eine unmittelbare Nähe zu meinem eigenen Leben darstellen, wie es auch in den Arbeiten von Ihei Kimura, Joel Meyerowitz, William Eggleston oder Cristobal Hara zu sehen ist. Für die Street Photography hat mich der Bildband A l’est de Magnum 1945-1990 von Magnum Photos bereits im Jugendalter sensibilisiert.
Familienfotos sieht man in der modernen Fotografie eher selten. Was mögen Sie daran?
Da ich mich als Street/Dokumentar-Fotograf sehe, versuche ich immer die ungestellten, puren Momente vom Alltagsleben meiner Mitmenschen einzufangen, was auch für mein Projekt One Two Three sehr wichtig ist. Meistens löse ich nur ein- oder zweimal aus, da ich die Zeit mit meiner Familie lieber genießen möchte, wie man sicherlich an den Bildern erkennen kann. Ich möchte, dass der Betrachter diese schönen Alltagsmomente genießt und sie nicht als eine Aufzeichnung des Privatlebens einer fremden Familie ansieht.
Die Familie scheint also auch abseits der Fotografie eine besonders große Rolle in ihrem Leben zu spielen…
Ja, die Familie ist mein Ein und Alles – jeden Tag, jede Stunde und jede Sekunde meines Lebens. Wenn sie mir diese wunderschönen Alltagsmomente schenkt, komme ich nicht umhin, den Auslöser zu drücken – dann durchströmt mich eine Freude, als ob ich in einem kleinen Jazzclub sitze und Hard Bop Jazz höre.
Welche Herausforderungen gab es im Zuge dieses Projektes zu bewältigen?
Die Veröffentlichung dieser Serie war im Kontext der Dokumentar-Fotografie die größte Herausforderung. Es gibt durchaus ein Risiko, dass der Betrachter die Reihe missversteht, da es auf dem ersten Blick profan erscheint und die dargestellten Subjekte die eigene Familie ist, die man immer und überall fotografieren kann und beliebig oft bitten könnte, sich für ein Foto in Szene zu setzen. Gestellte Fotos kommen für mich jedoch gar nicht erst in Frage.
Wie lange möchten Sie dieses Projekt noch fortsetzen?
Vielleicht bis meine Töchter verheiratet sind und das Elternhaus verlassen? Oh, daran möchte ich lieber nicht denken...
Shin Noguchi+-
Noguchi wurde 1976 in Shinjuku, Tokio, geboren. Er widmet sich der japanischen Kultur, deren Komplexität er auf seinen Bildern diskret, poetisch und rätselhaft einfängt. Einzelausstellungen führten ihn unter anderem nach Russland, Frankreich und China. Seine Arbeiten wurden mehrfach in The Guardian, The Independent, Die Zeit und Libération veröffentlicht. Im Jahr 2020 erschien sein Buch In Color In Japan. Mehr