Unterwegs in Paris mit Alfred Hitchcock

Russell Melcher

28. August 2023

Zu Besuch im Museum der Pariser Polizei – ein Termin, den der Reportagefotograf Russell Melcher 1959 mit seiner Leica begleitete. Ein perfektes Zusammenspiel von Regisseur und Fotograf.
Unverkennbar: Hitch. Alfred Hitchcock, der legendäre Filmregisseur und Meister der spannungsreichsten Thriller seiner Zeit. Wie immer im dunklen Anzug, weißen Hemd und Krawatte. So unscheinbar sein Äußeres, so typisch sein verschmitztes Lächeln und Rollenspiel, dessen Repertoire er für den Fotografen Russell Melcher genüsslich auslebte. Während seines damaligen Paris-Aufenthalts besuchte der Regisseur auch das dortige Polizeimuseum: „Natürlich wurde alles genau studiert und betrachet“, erinnert sich der Fotograf, denn „Hitchcock war ständig auf der Suche nach neuen Anregungen für Gänsehautmomente, die keine Müdigkeit aufkommen ließen.“ So ist es nachzulesen in dem gerade erschienenen Prachtband zum Werk des Fotografen: Russell Melcher – Die goldenen Zeiten des Fotojournalismus.

Filmstars und Starlets, Musiklegenden, ebenso politische Größen und königliche Familien: Ohne Zweifel gehörte Melcher zu den vielbeschäftigten und umtriebigen Bildreportern: Ab den 1950er-Jahren bediente er den stetig wachsenden Bedarf der Illustrierten und Magazine mit seinen Aufnahmen. Der Amerikaner hatte sich in Paris niedergelassen und reiste von dort aus in fast die gesamte Welt. Viele seiner Aufnahmen sind längst Zeitgeschichte, denn er war nicht einfach nur ein Fotograf, sondern verstand sich vielmehr als Geschichtenerzähler. Trotz Zeitdrucks und oft widriger Aufnahmebedingungen wollte er immer mehr als nur ein Magazinbild liefern. Schnelligkeit, gute Vorbereitung und vor allem eine gute Ausrüstung waren die Grundbedingungen der „Methode Russell W. Melcher“, die Matthias Grenda in seinem begleitenden Text im neuen Bildband vorstellt: „Wann immer es ging, recherchierte oder inspizierte Russ die Location, den Ort, die Stadt oder das genaue Geschehen, die Person oder Personen, die es zu porträtieren gab, bevor er sich Gedanken über die Geschichte machte, die zu erzählen war. Russ wollte nicht die Fotos schießen, die alle schossen.“

So ist die Begegnung mit Hitchcock auch als Geschichte angelegt: Melcher begleitet ihn durch alle Räume des Museums, vom Dach bis in den Keller, wobei er nicht überall fotografieren durfte. „Nach dem Besuch der Katakomben, wo äußerst alte, aber noch aktive Gefängniszellen besichtigt wurden und fotografieren nicht erlaubt war, schritt Alfred Hitchcock dann davon, ganz wie er sich selbst am liebsten sah – listig und geheimnisvoll“, so der Fotograf. „Ich meine, in späteren Filmen die eine oder andere Szene dann wiedererkannt zu haben.“
Ulrich Rüter
ALLE BILDER AUF DIESER SEITE: © Russell Melcher

LFI 6.2023+-

Cover_LFI_06.23

Das LFI-Magazin zeigt in seiner Ausgabe 6.2023 ein Portfolio Melchers in der Reihe der Leica-Klassiker.

Russell Melcher: Die goldenen Zeiten des Fotojournalismus+-

9783961714391 Kopie 2

256 Seiten, 223 Schwarzweiß- und Farbabb.
23,5 × 30 cm, Deutsch/Englisch
teNeues; Herausgegeben von Peter Feierabend und mit Texten von Matthias Grenda

Russell Melcher+-

Bild 10 Russell Melcher, Lifetime Achievement Award
© htn-award.de

Geboren wurde der Fotograf am 24. September 1930 in Englewood, New Jersey, USA. Mit 16 Jahren sammelte er erste Erfahrungen mit der Fotografie in New York. Von 1951 bis 1953 Dienst bei der US-Armee in Frankfurt a. M., danach Umzug nach Paris. Ab 1958 bei der Fotoagentur Dalmas tätig, im August 1966 als Teilhaber Wechsel zur Agentur VIP, von 1966 bis 1972 für die Bildagentur Magnum tätig. Danach u. a. Fotoredakteur für Zeitschriften der Paris-Match-Gruppe, später bei der Filipacchi Magazine Group. Heute lebt er in Südfrankreich.  Mehr

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