Interview mit Rankin

Rankin

12. November 2015

Ab dem 13. Dezember zeigt Rankin in der Kunsthalle Rostock mit „Less is More“ Fotografien aus seinem Frühwerk als Mitbegründer der Zeitschrift Dazed & Confused bis hin zu experimentellen Arbeiten der Gegenwart. S Magazine hat den Modefotografen anlässlich der Ausstellung interviewt. Rankin gilt als einer der führenden zeitgenössischen britischen Modefotografen. Im Interview für S Magazine spricht er über sein Rankin-Live-Projekt, wie er mit Kritik umgeht und wie seine Karriere ihn sich als Mensch verändert hat.
S Magazine: Sie sind schon als einer der einflussreichsten, wenn nicht sogar der einflussreichste Fotograf unserer Zeit bezeichnet worden. Haben Sie selbst Idole, Vorbilder unter den Großmeistern der Fotografie, und wurde Ihr Stil von ihnen beeinflusst?

Rankin: Wow, was für eine Einleitung! Vielen Dank für die Blumen! Aber ich sehe mich gar nicht so. Ich habe einige Vorbilder: David Bailey, Richard Avedon, Irving Penn, und man kann sagen, dass sie mich auf vielfältige Weise beeinflusst haben. Viele Kritiker würden sagen, dass ich nur ein fader Abklatsch von ihnen bin, aber ich glaube daran, dass gute Fotografen sich ihre eigene Nische suchen sollten. Kritiker lieben es, sich viel wichtiger zu sehen, als sie es sind. Ich bin Praktiker, kein Schwafler.

Sie haben einmal gesagt, Sie wollten Ihre Protagonisten gut aussehen lassen, ja, überwältigend. Wie lässt sich das denn mit einem weiblichen Akt im Einkaufswagen, einer Person mit einer Schweinemaske im Saustall oder einer Nackten vor Schaufensterpuppen vereinbaren?

Nun ich denke, sie sehen alle großartig aus. Dazu stehe ich, und ich habe das wahrscheinlich auch über das Rankin-Live-Projekt gesagt. Ich fürchte immer, meinen Portraitierten zu sehr zu Gefallen zu sein.

Sie haben verlautbart, dass 30.000 Besucher Ihrer Ausstellung in Liverpool Ihnen wichtiger sind als jeder Artikel eines Kritikers. Der „soziale Einfluss“ dessen „ist ziemlich sicher das Größte“. Ist die Ansammlung von Besuchern nicht einfach eine Agglomeration von individuellen Kritikern? Eine Demokratisierung des Geschmacks?

Oh, natürlich. Aber ich bin selbst mein größter Kritiker, also vergesse ich negative Einflüsse. Dazu ist das Leben einfach zu kurz!

Stimmen Sie Cecil Beatons Ansicht zu, dass man in jedem Bild den Geist und die Intelligenz des Fotografen sieht?

Absolut! Ich denke, wenn du ein guter Fotograf bist, sieht jeder deine Identität in allen deinen Arbeiten. Mein Archiv ist fast mein Tagebuch, in dem man mich vielleicht nicht sieht, aber sicherlich erfühlt.

Ein Zitat von Ihnen: „Mit 40 kann man zwei Wege einschlagen. Nur fürs Geld arbeiten, mit Kommerz, oder in sich selbst investieren.“ Ist Rostock wichtiger als Ihre kommerziellen Arbeiten, eine Anthologie, eine Retrospektive? Würden Sie für Ihre Interessen wie das Kongoprojekt oder das Engagement für Oxfam den Kommerz aufgeben?

Nein. Jedes meiner Projekte ist ebenso wichtig wie das nächste. Ich glaube, eine Trennung von Kommerzialität und persönlichem Interesse wäre unaufrichtig. Ich muss auf alles stolz sein, was ich tue, auch wenn es Shit ist. Ich mache mit beidem weiter. Mein Bankberater fragte neulich, wann ich in Ruhestand gehen wolle. Ich sagte: Nie.

Werden Sie der „Popkultur“ jemals müde, oder sehen Sie darin eine stetige Weiterentwicklung?

Ich verstehe nicht, wie jemand je von der Popkultur gelangweilt werden könnte. Sie bewegt sich so schnell und wirft immer mehr neue Dinge ins Rennen. Wer hätte vor zehn Jahren gedacht, dass Millionen, wenn nicht Milliarden von Menschen Fotos mit ihren Handys machen würden? Wie könnte man das nicht aufregend – oder sogar ein wenig erschreckend – finden?

Sie haben gesagt, dass Sie in einer sehr glücklichen Beziehung leben, dass Sie sehr viel Glück hatten und darob etwas demütig geworden sind. Hat das Ihre Arbeit beeinflusst?

Das hängt davon ab, an welchem Tag Sie mich das fragen. Ich glaube nicht, dass sich meine Arbeit sehr verändert hat, oder ich mich selbst. Ich bin derselbe, immer fragend, nur sehr viel weniger arrogant. Ich bin nur sehr viel ruhiger geworden und auch sensibler anderen Menschen gegenüber. Ich hoffe, ich habe mich entwickelt, in meinem Werk, als Mensch, et cetera, aber ich kann auch ein Blödmann sein. Ich würde mich gern bei vielen Personen meiner Vergangenheit entschuldigen, die ich beleidigt habe oder nicht gut behandelt habe, aber andererseits würde ich auch nichts ändern – das ist der falsche Ansatz im Leben, denke ich.

Ein Rat für einen jungen, ehrgeizigen Fotografen?

Mach so viele Bilder wie möglich.

Ist die Ausstellung in Rostock für Sie genauso wichtig wie eine in L. A., London oder Paris? Und warum glauben Sie, in Frankreich so besonders populär zu sein?

Jede meiner Shows ist mir wichtig. Tatsächlich ist die jetzt in Deutschland unglaublich speziell für mich, weil ich erstmals so mutig war, diese Werke zusammen auszustellen und für sich selbst stehen zu lassen. Mit dem Museumskurator Ulrich zusammenzuarbeiten, gab mir dieses Vertrauen. Dafür danke ich ihm. Ich weiß nicht, warum ich irgendwo im Besonderen populär bin. Ich arbeite für mich und hoffe eben, dass die Leute das mögen!

Welche Kameras haben Ihre Arbeit beeinflusst und warum?

Als ich auf Film fotografierte, nahm ich gewöhnlich eine Mamiya RZ67, die mochte ich sehr. Sie war kompakt und schwer, fühlte sich wie eine richtige Kamera an und hatte richtig große Negative. Digital fing ich mit einer Canon 1DS an, glaube ich, jedenfalls, als sie rauskam, aber das müsste ich noch mal checken. Sie war leicht zu handhaben, auch beim Shooting. Nur die Files waren winzig. Dann ging ich auf die Phase One über, eine unglaubliche Kamera, die nahm ich etwa sechs Jahre lang. Ich flirtete mit anderen Kameras, habe dann und wann mehrere ausprobiert. Die Leica S Serie mag ich sehr und benutze sie oft. Sie hat ein großes Format, schießt aber wie eine 35 mm, und die Schärfentiefe ist sehr gering. Auch der Autofokus ist sehr cool. Aber: Nicht die Kamera macht gute Bilder – sondern der Fotograf!

Dieser Artikel wurde ursprünglich vom Leica S Magazin veröffentlicht.
Alle Bilder auf dieser Seite: © Rankin

Rankin+-

Rankin ist ein englischer Fotograf, Publizist und Regisseur, der sich auch für Menschenrechte engagiert. Sein Portfolio umfasst Portraits bis hin zu Dokumentationen, er lichtete die Rolling Stones ab, David Bowie, Kate Moss, Tony Blair, und ihre Majestät, die Königin von England, um nur einige zu nennen. Als Mitbegründer des Magazins Dazed & Confused publiziert er fortwährend – über 42 Fotobände erschienen unter seinem Namen, sowie das Magazin The Hunger und die Website hungertv.com.
Er dreht und produziert Werbeclips und Musikvideos, bei denen er auch Regie führt, für die größten Künstler unserer Zeit, sowie zahlreiche Dokus und Serien. 2013 gründete er die Kreativagentur The Full Service, die alle Aspekte der Produktion abdeckt; von der Konzeption bis zum Endprodukt. Mehr

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