Buchtipp: Last Summer

Philipp Keel

31. August 2021

Ein feiner melancholischer Abgesang auf den Sommer. Betörend traurig, trotz aller Farbigkeit und dabei so wunderschön: der neue Bildband des Schweizer Fotografen.
Farbenprächtig wie ein wunderbarer Sommertag, so erscheint der erste Eindruck des neuen Bildbands von Philipp Keel: Der Papierumschlag geheimnisvoll grünlich schimmernd, ein zitronengelber Leineneinband mit himmelblauer Schrift, dann das nachtblaue Vorsatzpapier, im Innenteil folgen glänzende moosgrüne Auftaktseiten, bevor nach kurzem Text das erste Motiv auftaucht. Die Gestaltung nimmt sich Zeit und gibt den Bildern Platz. Jedes steht frei auf einer rechten Seite, jede Aufnahme ist ein Stimmungsbild, das Raum für freie Assoziationen gibt.

Wie war der letzte Sommer? Der Textautor Benedict Wells, Bestsellerautor beim Diogenes Verlag, macht hierzu in seiner kurzen Einführung bereits eine Vorgabe: „Die schönsten Sommer sind oft auch die schmerzhaftesten. Selten fühlen wir uns so lebendig. Und am Ende dieser Sommer werden wir umso stärker daran erinnert, dass alles vergeht.“ Tatsächlich ist die Bilderfolge ein Abgesang auf den Sommer, der nur noch Erinnerung ist. Oder wie er hätte sein können: blaues Meer, der Schattenwurf einer Palme, der Drink mit einer Kirsche, der freie Blick in den Himmel, Sonnenliegen in der Nacht… Nur die Menschen fehlen, sie sind schon fort, schwelgen vielleicht in den Erinnerungen, die diese Bilder evozieren sollen.

„Eine der großen Stärken von Keels Werken ist, dass sie subtil und zurückhaltend bleiben,“ beschreibt Wells die Bilderfolge: „Jeder von uns findet in ihnen, was er zu finden wünscht. In einigen ist die Melancholie unbeschwert, kaum mehr als ein sanftes, nicht unangenehmes Ziehen an einer gespannten Saite irgendwo tief in uns. In anderen steckt mehr dahinter. Last Summer führt uns an eine Schwelle: Der Abend ist angebrochen, ein einsamer Blick von einer Veranda mit einem Drink in der Hand, Freunde lachen im Hintergrund, während das letzte Licht des Tages verblasst. In unserem Kopf spielen die Bilder eines Tages, der viel zu schnell vergangen ist, einige flackern, andere sind klar. Vielleicht werden wir kurz wehmütig, vielleicht drehen wir uns aber auch um und gehen zurück zu den anderen.“

Entstanden sind die Motive allerdings nicht im letzten Sommer, der so ganz anders war als die vorherigen. Die Melancholie der Bilder – sie wurden zwischen 2006 und 2019 aufgenommen – gibt aber dabei treffend das Gefühl der Verlorenheit, der Unsicherheit wieder, das in Zeiten des Lockdowns den letzten Sommer bestimmte. Ganz am Ende der Bilderserie ist der Sommer dann wirklich vorbei: ein herbstlicher Blumenstrauß, Heuballen im Schnee, ein winterlich verschneiter Baum. Aber wie versuchte bereits Henry David Thoreau zu trösten: „Man muss sich auch mitten im Winter ein Stückchen Sommer bewahren.“ Vielleicht gelingt es ja besser mit diesem eleganten Buch.

Philipp Keel: Last Summer
Text: Benedict Wells; Buchdesign: Kobi Benezri
72 Seiten, 62 Farb-Abb., Englisch, 24,0 x 30,0 cm,
Steidl
Ulrich Rüter
ALLE BILDER AUF DIESER SEITE: © Philipp Keel

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© Maurice Haas

Wurde 1968 in Zürich geboren und ist vielseitig begabt: Künstler, Musiker, Autor, Filmemacher und seit 2012 in der Nachfolge seines Vaters auch Verleger des Diogenes Verlags. Bereits als Jugendlicher interessierte er sich für die Fotografie, er studierte Klavier in Boston, Regie in München, lebte in Los Angeles, um sich dort als Künstler, Filmemacher und Autor zu etablieren. Nach Color und Splash ist Last Summer bereits die dritte Publikation im Steidl Verlag. Er lebt in Zürich. Mehr

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