Buchtipp: Empire Roller Disco

Patrick D. Pagnano

26. September 2022

Discoatmosphäre auf Rollschuhen: eine Wiederentdeckung nicht nur eines renommierten Fotografen, sondern auch einer einzigartigen Ära.
Eine Nacht für die Ewigkeit: Dutzende Filme belichtete der Fotograf im Februar 1980 mit seiner Leica M3, um die vibrierende Atmosphäre in der legendären Empire Roller Disco in Brooklyn festzuhalten. Jetzt ist die Serie in einem wunderbaren Bildband wiederzuentdecken. Gerade rechtzeitig, denn nach über 40 Jahren erleben die klassischen Rollschuhe, die vierrädrigen Quads, wieder einmal eine Renaissance bei der TikTok- und Instagram-Generation. Dabei sind die Aufnahmen Pagnanos keine vertiefende Analyse der Rollschuhkultur, sondern vielmehr eine spannende visuelle Erinnerung an die besondere Energie, die damals an diesem speziellen Ort herrschte. Dessen Geschichte beginnt schon 1941, als in Crown Heights, am Empire Boulevard No. 200, das Empire Rollerdrome eröffnete und schnell zur festen Adresse für die Freizeit- und Wettkampf-Rollschuhläufer des Viertels wurde. Kultstatus erlangte die Bahn allerdings erst in den späten 1970er-Jahren, als im Zuge der Discowelle die ursprüngliche Orgel durch Live-DJs ersetzt wurde, die mit aktueller Discomusik und aufwendiger Ton- und Lichttechnik die Empire Roller Disco entstehen ließen. Das bis dahin eher gemächlich seine Runden ziehende Publikum wurde allabendlich eingeladen, nach den vor allem in Manhattan liegenden Club-Vorbildern einen einzigartigen neuen Ort zu schaffen. Schnell sorgte die Empire Roller Disco für Furore, sodass auch prominente Partygänger ihren Weg nach Brooklyn fanden. So kam auch Pagnano, damals schon ein renommierter Straßenfotograf, zu seinem Auftrag: Das Forbes Magazine wünschte sich eine Bildstrecke aus dem Club.

„Als ich erst einmal drin war, wurde ich in eine andere Welt vesetzt“, erinnerte sich der Fotograf noch vor vier Jahren in einem Interview. „Die Rollschuhläufer, ihr Talent, ihr Enthusiasmus, ihre Freude und ihre Hingabe: Alles inspirierte mich.“ Mit Blitzlichtsystem und seiner Leica M3 legte Pagnano dann los: Einzelne Tänzer werden aus dem Geschehen herausgehoben, und es gelingt ihm, eine eher theatralische Atmosphäre zu schaffen, die sich ganz auf die Akteure konzentriert, die augenscheinlich Freude an der Aufmerksamkeit des Fotografen haben. Seine langjährigen Erfahrungen als Straßenfotograf ließen ihn entscheidende Momente und Bewegungen der Rollertänzer und -tänzerinnen intuitiv und schnell erfassen und festhalten. Wie sich zeigt, hat der Glamour der Discoära hat bei Pagnano immer auch eine vertrauliche, soziale Dimension.

Die Lebensfreude und das Glück einer Clubnacht haben auch mehr als 40 Jahre nach ihrem Entstehen nichts von ihrer visuellen Kraft verloren. Und sie sind auch eine gelungene Würdigung und Wiederentdeckung, nicht nur für die in einer Nacht entstandene Serie, die nun erstmals in kompakter Form präsentiert wird, sondern auch für den Fotografen, der vor knapp vier Jahren starb. Das auftraggebende Magazin druckte damals übrigens kein einziges der Bilder, und die Empire Roller Disco ist bereits seit 2007 geschlossen – umso mehr erfreut es nun, dass die Aufnahmen aus dem riesigen Archiv des Fotografen zurück ins Leben gebracht werden.

Patrick D. Pagnano: Empire Roller Disco
Mit einer Einführung von Miss Rosen
112 Seiten, 118 Schwarzweißabbildungen
17,8 × 25,4 cm, Englisch
Mexican Summer

Ein ausführliches Portfolio finden Sie im LFI Magazin 7/2022.
Ulrich Rüter
Alle Fotos: © Patrick D. Pagnano aus dem Bildband 'Empire Roller Disco' veröffentlicht von Anthology Editions

Patrick D. Pagnano+-

wurde 1947 in Chicago geboren und wuchs in einem italienischen Einwandererviertel auf. Nach seinem Fotografiestudium am Columbia College Chicago arbeitete er zunächst in Chicago, 1974 zog er dann mit seiner Frau Kari nach New York City. Neben Auftragsarbeiten, Porträt- und Dokumentarfotografie war vor allem die Street Photography sein Thema. 2002 veröffentlichte er den Bildband Shot on the Streets mit Farbaufnahmen aus den 1970er- und 1980er-Jahren. Er starb am 7. Oktober 2018. Mehr

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