Backyard Diaries II

Nikita Teryoshin

3. April 2023

Ursprünglich als Presse- und Magazinfotograf tätig, findet Nikita Teryoshin willkommene Abwechslung im Porträtieren von Straßenkatzen in den Metropolen der ganzen Welt. Für den neuesten Teil seiner Reihe verschlug es ihn nach Bangkok.
Es sind Porträts, wie man sie eher selten zu Gesicht bekommt: Ganz im Stile eines Bruce Gilden dokumentiert Nikita Teryoshin das Leben von Straßenkatzen in Großstädten wie St. Petersburg oder Atlantic City und lotet dabei die Pole zwischen niedlich, ehrfürchtig und schauderhaft aus. Nachdem die erste Ausgabe des daraus resultierenden Fanzines ausverkauft war, veröffentlichte der Fotograf in diesen Tagen den zweiten Teil, für den er die Hinterhöfe Bangkoks erkundet hat.

LFI: Sie haben das Projekt als Abwechslung zu den gesellschaftspolitischen Themen, die Sie sonst ablichten, begonnen. Wann ist die Idee mit dem Zine gereift?
Nikita Teryoshin:
Die Idee dazu kam während der Corona-Pandemie. Es gab kaum Jobs, und ich hatte zu viel Freizeit. Ich war total erstaunt, wie gut die erste Ausgabe bei den Leuten ankam, obwohl die Katzen nicht unbedingt dem Cat-Content-Schönheitsideal entsprachen.

Worin lag Ihr Interesse, die Straßenkatzen zu fotografieren, begründet?
Ich fand die Charaktere der Straßenkatzen total spannend, auch im Vergleich zu Zucht- und generell Hauskatzen. Ihr Aussehen erzählt oft von einem harten Leben; sie wirken teilweise sehr menschlich auf mich. Als Kontrast zu den Waffenhändlern, die ich eigentlich in St. Petersburg damals fotografiert hatte, taten mir diese Begegnungen seelisch sehr gut.

Wie kann man sich die Arbeit an diesem Projekt in der Praxis vorstellen? Fängt es mit dem ziellosen Stromern durch die Hinterhöfe einer Großstadt an, oder machen Sie konkrete Pläne?
Ich schaue, ob ich Leute aus den Städten kenne, und bitte um Tipps. Manchmal muss man schon gezielt suchen und wissen, wo sich die Katzen aufhalten – in St. Petersburg gibt es beispielsweise unzählige Hinterhöfe, aber die wenigsten Bewohner haben noch Katzen. In Atlantic City war ich mit einem Obdachlosen unterwegs, den ich auf der Promenade kennengelernt hatte und der sich um die Katzen kümmerte. Er zeigte mir, an welchen Stellen unter der Promenade die Katzenhäuser stehen. Das war eine große Hilfe.

Welche Überlegungen haben Sie bei der Gestaltung des Zines getroffen?
Das Design des Zines sowie die tollen Sticker hat Ina Bunge von der Agentur Ten Ten Team übernommen. Die Sequenzierung haben wir zusammen gemacht. Es lebt von vollformatigen Bildern, die einen in die versteckten Welten der urbanen Katzen eintauchen lassen, und vom Zusammenspiel der Motive auf Doppelseiten.

Mussten Sie Ihre fotografische Herangehensweise in Abhängigkeit von der jeweiligen Großstadt ändern?
Bisher war ich neben St. Petersburg und dem gerade erschienenen Bangkok in Atlantic City, New Delhi und Istanbul, wo es so viele Katzen gibt, dass ich bald zurückkehren werde. Insgesamt konnte ich feststellen, dass Katzen auf meine Geräusche überall gleich interessiert reagieren. Ich versuche auch stets, Bilder auf Augenhöhe zu machen. Da es eine fortlaufende Serie ist, möchte ich dahingehend nicht zu viel ändern.

Backyard Diaries gibt es auf der Webseite von pupupublishing zu bestellen.
Danilo Rößger
ALLE BILDER AUF DIESER SEITE: © Nikita Teryoshin
EQUIPMENT: Leica S007 mit Summarit-S 1:2.5/70 Asph

Nikita Teryoshin+-

1986 im heutigen St. Petersburg geboren, wuchs Teryoshin später in Dortmund auf. Dort absolvierte er einen Bachelor in Fotografie an der Fachhochschule. Neben seinen freien Projekten ist er ein gefragter Presse- und Magazinfotograf mit regelmäßigen Veröffentlichungen in Zeit, Spiegel und Vice. Teryoshin gewann bereits mehrere renommierte Fotopreise, zuletzt den World Press Photo Award 2020. Mehr

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