Tief im Archiv

Kim Thue

20. April 2023

Der erzwungene Stillstand des Corona-Lockdowns ermöglichte es dem Fotografen, noch einmal tief in sein Archiv einzusteigen, Material der letzten zehn bis 15 Jahre zu sichten und seinen zweiten Bildband vorzubereiten.
Lode ist eine beeindruckende, gewaltige Mischung aus Porträts, Landschafts- und Naturaufnahmen, Stillleben und Abstraktionen. Ein radikaler Wurf, der den Betrachter nicht unberührt lässt. Auch für den Fotografen war es eine existenzielle Auseinandersetzung mit dem eigenen Werk. Das erste Motiv im Bildband ist daher auch als Symbolbild zu lesen: ein zersprengter Fels, bezeichnet das Wort Lode doch auch eine Erzader im Gestein, die nun freigelegt ist. Wir sprachen mit dem dänischen, in London lebenden Fotografen über das Entstehen seines neuen Buchs.

Zehn Jahre nach Ihrem Debüt Dead Traffic kehren Sie nun mit Lode zurück. Wie lange hat die Bildauswahl gedauert?
Kim Thue:
Es ist schwierig, eine genaue Antwort zu geben, da das Buch seit einer gefühlten Ewigkeit in verschiedenen Formen in meinem Hinterkopf gelebt hat. Der eigentliche Auswahl- und Bearbeitungsprozess fand jedoch hauptsächlich in und um den Corona Lockdown in Großbritannien statt. Eine vorsichtige Schätzung auf Ihre Frage würde zweieinhalb Jahre lauten.

Sie scheinen eine bewusste Entscheidung getroffen zu haben, sich von der Dokumentation zu distanzieren. Warum?
Ich sehe das eher als eine natürliche Entwicklung. Um ehrlich zu sein, habe ich mich nie als Dokumentarfotograf gesehen, da ich mich nicht immer mit der Selbstsicherheit, die oft mit diesem Gebiet einhergeht, anfreunden konnte. Viele machen das gut, aber im Gegensatz zu meinen Fotografien ist die Welt nicht schwarzweiß, und ich persönlich habe mich immer nur in einem Bereich wohlgefühlt, der Raum für Mehrdeutigkeit und Selbstreflexion zulässt. Vielleicht ist meine Arbeit nicht leicht zu erklären oder zu kategorisieren, aber jemand, den ich nicht kenne, kommentierte kürzlich in einem Beitrag in den sozialen Medien, dass es in Lode seiner Meinung nach hauptsächlich um „Präsenz, nicht um Repräsentation“ gehe. Ich denke, das trifft den Nagel ziemlich gut auf den Kopf.

Wie kam die Zusammenarbeit mit dem Verlag Skeleton Key Press zustande?
Im Frühjahr 2021, als sich die Welt langsam wieder öffnete, schlug ich Russell Joslin (dem Eigentümer von SKP) und einem Dutzend anderer Verlage, von denen ich annahm, dass sie möglicherweise interessiert sein könnten, eine unfertige Version des Buches vor. Das war sozusagen „nach der Pandemie“ – mein Timing hätte also nicht schlechter sein können, da die meisten Verlage bereits einen Rückstau an geplanten Büchern angehäuft hatten, die sie nicht veröffentlichen konnten. In einer sehr unsicheren Zeit wurde eine allgemeine Zurückhaltung deutlich, mit einem anspruchsvollen Buch wie dem meinen Risiken einzugehen. Nichtsdestotrotz stießen meine Einsendungen auf reges Interesse, und ich führte schließlich Gespräche mit verschiedenen Verlagen. Rückblickend habe ich mit Skeleton Key Press definitiv die richtige Entscheidung getroffen, da ich zu keinem Zeitpunkt das Gefühl hatte, Kompromisse eingehen zu müssen, und ich somit das Buch machen konnte, das ich machen wollte.

Würden Sie „Lode“ als einen Abschluss Ihres ersten Buches bezeichnen?
Nein, Abschlus ist definitiv zu stark. Eine nachdenkliche „Fortsetzung“ wäre völlig ausreichend. Ich denke, dass diejenigen, die Dead Traffic gesehen haben, ihr Verständnis in diese neu strukturierte und veränderte Erzählung einbringen können, aber ich halte Lode auch für ein eigenständiges Projekt und nicht für einen zweiten Band oder etwas Ähnliches.
Ulrich Rüter
ALLE BILDER AUF DIESER SEITE: © Kim Thue
EQUIPMENT: Leica R9 mit Elmarit-R 1:2.8/28 und Summicron-R 1:2/50

LFI 3.2023+-

Im LFI-Magazin 3.2023 zeigen wir ein umfangreiches Portfolio aus Lode. Mehr

Kim Thue+-

© Kim Thue
© Kim Thue

wurde im September 1980 geboren und wuchs in Grindsted, einer kleinen Stadt auf der dänischen Halbinsel Jütland auf. Seit 1998 lebt er in England; dort erwarb er einen BA in Editorial Photography an der Universität Brighton. Seine Arbeiten wurden international ausgestellt und publiziert. In den letzten Jahren hat er zahlreiche Promotionvideos für Bands wie Iceage oder Lush gedreht. Nach Dead Traffic (2012) ist Lode seine zweite Monografie. Er lebt mit seiner Familie in London. Mehr

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