Living Trust

Buck Ellison

10. Juli 2020

Die erste Monografie des US-amerikanischen Fotografen dekodiert mit inszenierten Szenen überaus geschickt das oberflächlich perfekte Bild einer weißen, privilegierten, reichen und konservativen Bevölkerungsschicht in den USA.
Perfekte Bilder. Zu perfekt. Die Motive scheinen makellos, die Personen und Szenen aus einem Werbekatalog für das glückliche Leben in den USA zu stammen. Bei längerer Betrachtung entsteht jedoch Unbehagen. Kälte und Oberflächlichkeit vergiften die Atmosphäre der hier in bunten Bildern propagierten Unbeschwertheit in Reichtum und Schönheit. Kein Wunder, denn das entspricht der subversiven Technik des Autors, dessen Bilder an kommerzielle Stock Photography erinnern, doch nie nur das zeigen, was man glaubt zu erkennen.

„Living Trust“ – dieser Begriff entstammt dem US-amerikanischen Erbrecht und spielt bei der Nachlassplanung eine Rolle. Doch nur wer auch über entsprechende Millionen und Milliarden verfügt, wird sich mit dieser Alternative des Erbrechts beschäftigen können. Brennglasartig rückt der Bildband in acht verschiedenen Serien das Leben der Wasps in den USA (ein Akronym für White Anglo Saxon Protestant) in den Mittelpunkt. Die zahlenmäßig kleine Bevölkerungsschicht verfügt aber nicht nur über enorm vielfältige gesellschaftspolitische Kontakte und damit immensen Einfluss, sondern gilt auch als besonders reich.

Eines der Privilegien ist die Kontrolle über das eigene Bild – das war der Ausgangspunkt für Ellisons fotografische Studie: „Wir leben in dieser überfotografierten Welt und doch gibt es eine Klasse von Menschen, die Ultrareichen, die zum größten Teil nur das preisgeben, was sie preisgeben wollen“, so der Fotograf. Auch wenn alle Bilder mit bezahlten Models und Schauspielern – von denen es in den Talentpools von Los Angeles unendlich viele gibt – bis ins letzte Detail inszeniert sind, verweisen sie durchaus auch auf reale Personen.
Das wird insbesondere im Kapitel „The Prince Family, Holland, Michigan“ deutlich, zeigt es doch vermeintlich reale Szenen aus dem Familienalbum der umstrittenen und unbeliebten aktuellen US-Bildungsministerin Betsy DeVos. Ihr Bruder, Gründer der berüchtigten privaten Sicherheitsfirma Blackwater, und sie gehören zu einer der reichsten und einflussreichsten Familien der USA. Trotz dieser Bekanntheit gelang es dem Fotografen nicht, online private Familienbilder zu finden, wie es heute in weiten Teilen der Gesellschaft durchaus üblich ist. Leichtfertig geben die Superreichen nichts von sich preis. Daher waren die Inszenierungen nötig und wurden akribisch recherchiert.

Die Bilder fügen sich nahtlos in die Kapitelfolge des Buchs ein: Stillleben, Familienporträts, Sportstudien zeigen die gesellschaftlichen Codes. Die Töchter spielen Lacrosse; ein Autoaufkleber verrät viel über den Status des Fahrers; Bio-Gemüse, Wellness-Therapien und Sportbekleidung sind ebenfalls Merkmale einer Klassenzugehörigkeit. Was zunächst durchaus humorvoll daherkommt, entwickelt im Verlauf der Bildkapitel eine kraftvolle Gesellschaftskritik. Böse und gut. Und in ihrer Präzision reifen die Motive zu einem Analyseinstrument zum Verständnis einer sich immer mehr spaltenden Gesellschaft – nicht nur in den USA.

Buck Ellison, Living Trust
mit Texten von Lucy Ives & Orit Gat
132 Seiten, 60 Farbabbildungen, 25 × 32 cm, englisch

Loose Joints
Ulrich Rüter
Alle Bilder auf dieser Seite: © Buck Ellison 2020: courtesy Loose Joints

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Buck Ellison (geb. 1987, San Francisco) erhielt einen B.A. in Deutscher Literatur an der Columbia University (2010) und einen MFA der Städelschule Frankfurt am Main (2014). Seine Arbeiten wurden in bedeutenden Publikationen wie Artforum, Aperture und The New Yorker sowie in den letzten Jahren in zahlreichen Ausstellungen präsentiert. Er lebt und arbeitet in Los Angeles. Mehr

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