Nachruf: Jürgen Schadeberg
Nachruf: Jürgen Schadeberg
18. Juli 2020
Jürgen Schadeberg
1931 hineingeboren in die Zeit des folgenschweren Aufstiegs der Nationalsozialisten, wurde Schadeberg früh für die Fragen nach Gerechtigkeit und Humanität sensibilisiert. Die erzwungene Mitgliedschaft in der Hitlerjugend war ihm verhasst, das Ende des Kriegs erlebte er als Befreiung. Noch in Berlin besuchte er eine Schule für Optik und Fototechnik, bevor er ein Volontariat bei der Deutschen Presseagentur in Hamburg durchlief. Mit kaum mehr als einem Koffer, darin aber auch seine günstig erworbene Leica IIIa, verließ Schadeberg im Juni 1950 Deutschland – seine erste Wahl wären eigentlich New York und die USA gewesen, aber aus familiären Gründen ging es nach Südafrika, wohin seine Mutter bereits ausgewandert war. Mit seiner Leica gelang es ihm, sich in Johannesburg als Bildjournalist zu etablieren. Allerdings nicht etwa als Vertreter der weißen Minderheit, sondern sein Weg führte ihn in die schwarze Musikszene des Landes.
„Es war, als würde ich vom Regen in die Traufe kommen – ich war entsetzt.“
Geprägt von den Erfahrungen des europäischen Rassismus, sind seine ersten Erfahrungen in Südafrika ein Schock, trifft er doch auf ein tief gespaltenes Land, in dem die schwarze Bevölkerungsmehrheit brutal unterdrückt wird. Als kritischer Zeitzeuge und engagierter Beobachter fotografierte er die Folgen der Apartheid genauso wie die Musikszene. Nicht zuletzt durch seine Arbeit als Chef-Fotograf, Bild-Redakteur und künstlerischer Leiter des Magazins Drum wurde er zum Chronisten einer Epoche. So trug er ganz maßgeblich zum Entstehen des „Drum-Stils“ bei, einer authentischen Mischung aus Kultur und Politik, die im Magazin gepflegt wurde und das Selbstbewusstsein vieler Zeitgenossen prägen sollte.
„Ich fühlte mich in Europa sehr zu Hause und war irgendwie erleichtert, nach dem repressiven Südafrika nun in einer freien Gesellschaft zu leben.“
1964 musste Schadeberg Südafrika verlassen und arbeitete in den folgenden Jahrzehnten als Freelancer in Europa und den USA. Auch hier blieb er seiner empathischen Arbeitsweise treu. Neben der Fotografie widmete er sich gemeinsam mit seiner Frau Claudia auch dem Filmemachen. 1985 kehrten sie nochmals nach Johannesburg zurück, bis 2007 entstand das zweite südafrikanische Kapitel. Schadeberg fotografierte wichtige politische Momente des Landes und porträtierte wichtige Persönlichkeiten. Ob die Aufnahme der singenden Miriam Makeba oder das Bild Nelson Mandelas, der durch die Gitterstäbe seiner ehemaligen Gefängniszelle blickt: Der Fotograf hat in Südafrika zahlreiche, heute legendäre Bildikonen geschaffen. In den letzten Jahren wurde Schadeberg mit zahlreichen hohen Auszeichnungen geehrt, unter anderem mit dem Bundesverdienstkreuz (2007), dem Cornell Capa Lifetime Achievement Award (2014) des International Centers of Photography, New York, und dem Leica Hall of Fame Award (2018).
Auch wenn sein Werk bleiben wird, fehlt nun eine wichtige kritische und respektable Stimme der Fotografie. Wir trauern um ein bedeutendes Mitglied aus der Familie der Leica Fotografen. (Ulrich Rüter)
Ein Interview und ein Portfolio zum Werk Jürgen Schadebergs erschien in der LFI 1/2019.
Sehen Sie das Video anlässlich der Vergabe des Hall of Fame Awards.
Jürgen Schadeberg
Handstand, Hamburg, 1948 © Jürgen Schadeberg
Miriam Makeba, 1955 © Jürgen Schadeberg
Avoiding the Pass, 1955 © Jürgen Schadeberg
Nelson Mandela in seiner Zelle, 1994 © Jürgen Schadeberg
Sherry Drinkers, Glasgow, 1968 © Jürgen Schadeberg