Watering my Horse

Xiaoxiao Xu

12. Juni 2020

Eine fotografische Reise entlang der Chinesischen Mauer, jenseits touristischer Folklore, dafür mit genauem Gespür für den Alltag der Orte mit Geschichte und Tradition.
Kaum ein Bauwerk Chinas ist bekannter und wenngleich sie ihre ursprüngliche Funktion längst verloren hat, so ist die Chinesische Mauer heute umso mehr ein Stück Geschichte. Mit dem Bau wurde bereits im 7. Jahrhundert v.Chr. begonnen und in den folgenden Jahrhunderten ist der Schutzwall während verschiedener chinesischer Dynastien stetig gewachsen. Dabei ist die Chinesische Mauer kein durchgängiges Bauwerk, sondern eher eine Ansammlung von Mauerteilen und Türmen.

Die in China geborene und heute in den Niederlanden lebende Fotografin nimmt den Betrachter in ihrem neuen Buch mit auf eine lange Reise: vom Frühjahr 2017 bis zum Frühjahr 2018 folgte sie auf rund 25.000 Kilometer dem Verlauf der Mauer, von den Bauteilen aus der Ming-Dynastie (1368-1644) bis hin zu den ältesten Ruinenresten der Mauer. Für ihren Versuch, die unentdeckte oder fast versteckte Identität der Mauer zu zeigen, hat sie sich dem Alltag und Menschen in den Dörfern entlang der Mauer gewidmet. „Die Lange Mauer ist nicht nur ein Symbol der Macht, sie ist ein Ort, an dem Menschen seit Jahrhunderten leben, arbeiten und Traditionen bewahren,“ so die Fotografin: „Trotz des Niedergangs gibt es unter der lokalen Bevölkerung, die die Mauer ehrt und schützt, eine lebhafte Beziehung zur Mauer.“ In den vergangenen Jahrhunderten kamen und gingen die unterschiedlichsten Menschen; Soldaten und Händler brachten verschiedene Kulturen, Sprachen, Nahrungsmittel und Ethnien mit. Die Mauer ist ein lebendiger Ort der Geschichte, der in ständiger Veränderung war. Umso mehr versuchte die Fotografin, den Einfluss des sich heute rasant wandelnden modernen Chinas auf den historischen Ort aufzuzeigen. Welche Elemente sind längst verschwunden, welche Überreste haben überlebt und wie sieht die Zukunft der Orte im Schatten der Mauer aus?

Konsequenterweise zeigt Xiaoxiao Xu in ihrem wunderbar gestalteten Buch, das auf den ersten flüchtigen Blick eher die Anmutung eines broschierten Handbuchs denn eines prächtigen Bildbandes hat, nicht nur eigene Fotografien, sondern kombiniert diese mit gefundenem Material, beispielsweise mit handgeschriebenen volkstümlichen Geschichten oder Seiten aus einem Militäratlas. Darüber hinaus zeigt sie Fundstücke, die bei Ausgrabungen an der Mauer entdeckt wurden. So entwickelt auch das Buch den Charakter einer intensiven Entdeckungsreise und in der Abfolge des Buches wird der Wechsel der Jahreszeiten ebenso deutlich, wie die Veränderungen im geografischen Verlauf der Mauer von Ost nach West. „Die Mauer schlängelt sich durch Zeit und Raum. Anstatt sie als eine mit Bedeutungen beladene Barriere zu betrachten, ziehe ich es vor, sie weniger definiert zu sehen. Ich möchte das gewöhnliche, alltägliche Leben der Menschen festhalten, die trostlose Atmosphäre und den melancholischen Zustand der Zeit einfangen, der etwas Mythisches, Unbestimmtes und Flüchtiges ist,“ erläutert die Fotografin ihr Projekt. Geglückt ist so ein vielschichtiges, materialreiches, informatives und poetisches Buch, das nicht nur von der Geschichte der Mauer und den dort lebenden Menschen erzählt, sondern vor allem auch von der Erfahrung der Fotografin selbst.

Xiaoxiao Xu: Watering My Horse
(by a spring at the foot of the Long Wall)
Mit einem Essay von Maria-Caterina Bellinetti
112 Seiten, diverse Farbabb. und Illustrationen
Design: Rob van Hoesel
22,5 x 33,3 cm, Englisch
The Eriskay Connection


First edition: 1000 Copies
World-wide distribution by Idea Books
Ulrich Rüter
ALLE BILDER AUF DIESER SEITE: © Xiaoxiao Xu

Xiaoxiao Xu+-

Xiaoxiao by Marco
© Marco van Duyvendijk

Xiaoxiao Xu wurde 1984 in China geboren und zog im Alter von vierzehn Jahren mit ihrer Familie von der Millionen- und Hafenstadt Wenzhou in die Niederlande. Diese Erfahrung prägt ihre Fotografie, die sie seit dem Abschluss ihres Studiums an der Fotoakademie Amsterdam 2009 auch in mehreren Buchprojekten vorgestellt hat: „Ich habe gelernt, sowohl den Osten als auch den Westen aus der Distanz zu beobachten. Ich bin sowohl ein Insider als auch ein Outsider“, schreibt sie auf ihrer Homepage. Mehr

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